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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & Gordon Eklund
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ihnen, mich einfach zu feuern. Daran ändern auch Rawlins Berichte nichts. Aber das Orb verlassen? Ohne Genehmigung als Passagier mit dem regulären Versorgungs-Shuttle nach Titan fliegen?“ Er schnalzte mit der Zunge und schüttelte traurig den Kopf. „Sie haben mich, Mara. Ich bin eine gerupfte Gans.“ Er stemmte sich ächzend hoch und die gelblichen, schlaffen Falten seines Gesichtes formten sich zu einem resignierten Lächeln. „Für mich ist hier Schluß. Eigentlich nicht schlecht – ich bin bis an die äußersten Grenzen der Menschheit gekommen. So weit von der Erde entfernt, wie es jetzt nur geht. Ich habe immer ein gewisses, neugieriges Interesse für Pluto empfunden, aber das kann warten. Vielleicht gibt es ja noch andere Leben, weißt du?“
    „Sie können nicht …“
    „Sie können. Ganz einfach.“
    „Was wirst du tun?“
    „Ich gehe zurück. Es war reines Glück, daß ich überhaupt zum Orb gekommen bin. Ich habe diesen Job als Bedingung für meine Unterstützung des Projektes verlangt.“
    Sie lehnte sich gegen das von Schweißnähten durchzogene, blaue Schott und verschränkte die Arme fest unter der Brust. Dann wanderten ihre Hände zu den Hüften hinunter und schoben sich schließlich dicht hinter ihren Rücken, in den engen Zwischenraum zwischen ihrem Kreuz und der Wand. „Da kann man nicht sicher sein. Vielleicht verlangen sie deinen Rücktritt und du bekommst eine niedrigere Position.“
    „Mara, das Leben ist die Kunst, ausreichende Schlußfolgerungen aus nicht ausreichenden Daten zu ziehen. Ich weiß, worauf diese Sache hinausläuft.“
    „Aber du warst es doch, der uns auf die einzig richtige Weise zusammengeführt hat. Nur deshalb konnten wir das Alpha-Libra-Puzzle lösen.“
    „Na und? Jetzt haben sie, was sie wollten.“
    „Aber es gibt noch soviel mehr. Wir haben ein bißchen Mathematik aus dem Alpha-Libra-Zeug herausgeholt, klar, aber …“
    „Das Wichtigste ist zu wissen, daß wir es überhaupt decodieren konnten. Das zeigt uns, daß es grundlegende Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Intelligenzen gibt.“
    „Sie können uns nicht einfach einen neuen Leiter von außerhalb vor die Nase setzen.“
    „Tun sie auch nicht. Dazu sind sie zu schlau.“
    „Wen denn dann?“
    „Vielleicht dich, Mara.“
    Sie lachte scharf und bellend auf und begann, in dem tortenförmigen Raum auf- und abzugehen. In dem emailleartigen Licht schien es Bradley, als verströme sie eine in ihr aufgestaute Energie. Das Deck unter ihren Füßen wogte mit den stampfenden Schritten des Schreiters. „Mich nicht. Rawlins schon eher. Das könnte ich mir vorstellen.“
    „Den habe ich ziemlich fertiggemacht“, sagte Bradley, und überrascht fühlte er, wie Stolz in ihm aufstieg. Bis zu diesem Moment war ihm nicht klar gewesen, wie sehr sich die Wunden der Vergangenheit in ihm angesammelt hatten, wie sich die Bitterkeit aufgestaut hatte, für jenen Augenblick, da er Rawlins als fernen, geschlagenen Feind sehen würde. Wenn man eine Rechnung als beglichen ansah, war das ein sicheres Anzeichen dafür, daß das Spiel, irgendwo tief im Innern, bereits zu Ende war. Ich werde alt, ich werde alt, ich rolle meine Hosen auf, dachte er. Es war Jahrzehnte her, daß er Eliot gelesen hatte – in jugendlicher Begeisterung –, aber die Zeilen kamen ihm allzu leicht in den Sinn.
    Er fühlte, wie der Schreiter erbebend zu Boden sank. Irgend etwas in seinem Absinken ließ Mara stehenbleiben. Unvermittelt trommelte jemand gegen die Tür und man hörte gedämpftes, unverständliches Schreien. Mara öffnete, und Najima stand im Türrahmen. „Dr. Reynolds, ich … kommen Sie und schauen Sie hinaus.“
    Bradley wälzte sich wieder von seiner Koje herunter. Behende und mit allzu beiläufiger Anmut landete er auf seinen Füßen. Der Boden hatte sich glücklicherweise beruhigt, und so schritt er aufrecht und sicher zu seinem Drehsessel. „Was gibt’s?“
    „Da“, sagte Najima schlicht. Sein Zeigefinger war unnötig; über dem Horizont erhob sich eine rötliche Blase. Aus ihrer von Warzen bedeckten Oberseite wallten weiße Wolken hoch. Während sie noch zusahen, brach ein neuer Schwall aus der fleckigen Haut hervor. Mit dem ausströmenden Gas wurden dunkle Schwärme wie Schrapnelle ausgespien, schossen in stumpfen, parabelförmigen Bahnen hoch in den Himmel und regneten dann durch die dünner werdenden Wolken wieder herab. Schwarze Kerne im feuchten Fleisch eines Apfels, dachte Bradley. „Ein Eisvulkan“, sagte

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