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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & Gordon Eklund
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das Kristallgebilde nicht von sich aus die sicheren Bereiche aufsuchen?“
    „Die Vorstellung, daß die elektrochemischen Prozesse im Netz Leben repräsentieren …“
    „… ist unmodern“, sagte Bradley. „Aber das waren Hosen auch einmal. Was könnte es Vernünftigeres geben, falls die Kristallmatrix die winzigen Verschiebungen in der Titankruste wahrnehmen kann?“
    „Und woher wollen wir wissen, daß sie das kann?“
    „Wir wissen es nicht. Wenn vor langer Zeit ein leichter Überlebensvorteil darin lag, zu wissen, wo das Land sich verschieben und zerreißen würde, dann ist das ein evolutionärer Mechanismus.“
    Najimas verschleierte Augen begannen zu glänzen. „Woher wußten Sie, daß das Kristallnetz sich bewegt?“
    „Das wußte ich nicht. In Ihren Berichten steht nichts …“
    „Wir sind nicht sicher. Wir möchten keine Behauptungen aufstellen, bevor die Messungen nicht abgeschlossen sind.“
    Bradley unterdrückte ein Lachen. „Okay. Und was sind die vorläufigen Ergebnisse?“
    „Einige der langen Kettenmoleküle scheinen eine Verschiebung der Kristallflächen auszulösen, die sich wellenförmig durch die gesamte Struktur fortsetzt und sie pro Jahr um ein paar Millimeter weiterbewegt.“
    „Also können die Kristallstränge wandern. Je besser das Kristallnetz seine Umgebung wahrnehmen und verstehen kann, desto sicherer wird es.“
    „Aber das Kristallgebilde ist nur ein Stück“, sagte Mara. Bradley sah auf. Sie hatte offenbar hinter ihm gestanden und die Auseinandersetzung genossen. Die Hüfte vorgestreckt, stand sie herausfordernd da, ihr schwarzes Haar schimmerte im emailartigen Licht des Schreiters, und ihre Lippen waren dunkel betont.
    „Na und?“
    „Bei einem Einzelwesen gibt es keine Evolution“, sagte sie. „Es gibt kein genetisches Material an irgendwelche Kinder weiter. Keine Reproduktion, keine Selektion.“
    Najima wirkte erleichtert über diese plötzliche Unterstützung von unerwarteter Seite. „Das klingt sehr vernünftig“, sagte er.
    „Wieder konventionelle Weisheit.“ Bradley fühlte sich plötzlich müde. „Und wenn nun jede Faser des Netzes ein Kind ist?“
    Mara runzelte die Stirn. „Es gibt keinen Hinweis …“
    „Das sind Spekulationen ohne jede Basis“, sagte Najima mit gewichtiger Ernsthaftigkeit, und Bradley begriff jetzt, was ihn hier draußen zu einem guten, soliden Stationsleiter machte. „Was wir brauchen, Sir, sind mehr Daten. Dafür …“
    „… brauchen Sie weitere Mittel“, meinte Bradley. „Ein Syllogismus, der mir möglicherweise nicht zum ersten Mal unterkommt.“ Er seufzte. „Wollen wir diese Angelegenheit nicht beim Essen erörtern?“
     
    Die Kocher feuerten und eine Mahlzeit erschien: ein geschmorter Pfannkuchen aus einem zähen, undefinierbaren Zeug, Preiselbeerkuchen, Zitronenschaum mit einem merkwürdig kalkigen Nachgeschmack. Am Mitteltisch wurde geplaudert, und danach hörte man das vertraute Klappern und Zischen der Geschirrspülanlage. Dieses anheimelnde Ritual ließ den Raum unter der Doppelkuppel der Station menschlich erscheinen und brachte die vier näher zueinander. Die Station glich annähernd einer Kugel, um so einen größtmöglichen Innenraum zu schaffen und gleichzeitig den peitschenden Titanwinden eine geringe Oberfläche entgegenzusetzen. Das obere (und wärmere) der beiden Stockwerke war den Quartieren vorbehalten. Auch hier hatte das Bedürfnis nach Privatsphäre Vorrang; für jede Person stand eine eigene, enge Zelle zur Verfügung.
    Nach dem Essen schlief die Unterhaltung ein. Tsubata suchte sich einen Lesefilm aus, Mara nahm ein ausgiebiges Dampfbad und Najima streifte durch die Station und überprüfte müßig die Geräte. Die Keramikwände waren behängt mit Schraubenschlüsseln, Eishaken und Meßlehren, klebstreifenumwickelten Hämmern, stumpfen Zangen und komplizierten Gerätschaften mit Rädchen und Buchsen, deren Funktion Najima offenbar bekannt war, während Bradley nur raten konnte. Die Arbeitsbereiche waren unaufgeräumt, wie immer, wenn niemand direkt verantwortlich ist. Rollen von Messingdraht, ausgefräste, fasrige Metallstücke, Splitter und Späne von glänzendem Kupfer, wirre Drahtknäuel, Mikroschaltkreisplatten – alles lag wild durcheinander in den Werkstätten verstreut. Najima ordnete, sortierte, registrierte, lagerte, und allmählich wich die chaotische Flut zurück.
    Dann begab sich Najima mit klappernden Stiefeln über die Treppe nach unten in die Versorgungs- und

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