Der Bernstein-Mensch
blicken konnte. Die Fresno, von Colonel Kastor zu Ehren des Geburtsortes des US-Präsidenten so getauft, umkreiste den Mars in einer mittleren Entfernung von etwa zweihundert Kilometern. Eine Umkreisung nahm etwas mehr als eine Stunde in Anspruch. Wenn keine gefährliche Notsituation eintrat, sendete der Landungstrupp unten (Nixon Basis hatte Kastor ihn genannt, angeblich zu Ehren des Politikers, der während der ersten bemannten Mondexpeditionen Präsident gewesen war, in Wirklichkeit aber wahrscheinlich als weitere Streicheleinheit für die derzeitige Regierung) bei jedem vierten Vorbeiflug. Dies nun war, wie Smith sehr gut wußte, Nummer vier.
Die Sendungen, so langweilig und unpersönlich Kastor sie auch machte, dienten dazu, die Monotonie zu unterbrechen, aber sie zwangen Smith auch dazu, sich zu bewegen. Gott, wie er den Mars haßte! Eine unglaubliche Wahrheit und doch nicht banal. Paul Smith hatte fünf Jahre seines Lebens geopfert und rund sechzig Millionen Kilometer durch den Weltraum zurückgelegt, nur um herauszufinden, daß er das Ziel all dieser Anstrengungen leidenschaftlich verabscheute.
Es schien ihm, als verhöhne der Mars seine eigene Welt. Die Berge reichten höher; mit jeder Umkreisung passierte er die Kuppe des Olympus Mons, und inzwischen weigerte er sich, auch nur noch hinzusehen. Die Canons schnitten sich tiefer in den Boden, die Ebenen erstreckten sich weiter. Und das Leben – Leben auf dem Mars! – war eine Verhöhnung des Lebens. Ein Leben, das vielleicht einstmals in relativer Schönheit erblüht war (zumindest war das die Theorie einiger Wissenschaftler), aber das jetzt in einer Umgebung von infernalischer Häßlichkeit existierte. Deswegen haßte er diesen verdammten Planeten: Er war häßlich – und nicht etwa, weil ihm die Phantasie fehlte, um die Schönheiten zu erkennen. Häßlich, häßlich, häßlich!
Smith erinnerte sich daran, wie die Erde vom Weltraum aus ausgesehen hatte; es war ein vertrauter Anblick gewesen, aber niemals eintönig, nicht einmal nach einem Jahr der vorbereitenden Experimente und Manöver im Orbitallabor. Die Erde nahm einem wirklich den Atem! Grün und azurblau, braun und flaumigweiß … Nicht dieses – nicht rot!
Er studierte das kraterzernarbte Terrain. Es gehörte zur südlichen Hemisphäre; die Nordhalbkugel, wo eine stärkere vulkanische Aktivität herrschte, war weniger fad. Trotzdem, manchmal vermutete er, daß Kastor seine wirklichen Gefühle verstand – das erklärte vielleicht, warum Kastor in einer unerwarteten und nicht näher erläuterten Abänderung seiner Pläne entschieden hatte, den jungen Reynolds mit hinunterzunehmen und nicht den erfahreneren Smith, der dieser Entscheidung auch nicht widersprochen hatte. Kastor hatte behauptet, der Grund sei, daß sie einen erfahrenen Mann im Orbit brauchten, während sie unten mit Morgan und McIntyre genug davon hätten. Smith hatte gar nichts gesagt. Kastor hatte darauf hingewiesen, daß Reynolds, ein Astronom, schon mehr über marsianische Lebensformen wußte als Smith, der Offizier war. Smith hatte keine Einwände erhoben. Viel später, als die anderen schliefen, hatte er den jungen Reynolds gefragt, ob er je Die Prinzessin vom Mars von Edgar Rice Burroughs gelesen habe. Als Reynolds ihn verständnislos ansah, hatte Smith gelacht und gesagt: „Dann, schätze ich, wissen Sie doch nicht so verdammt viel über das marsianische Leben, wie Kastor glaubt.“
Paul Smith zwang sich zu einer Bewegung. Er öffnete seine Haltegurte, schwebte sanft nach oben und stieß sich ab. Er trieb quer durch den Kommandoraum, prallte leicht gegen eine
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