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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Lüfte entsteht, wie sie in Sumpfgebieten herrschen, die mal aria. Es kommt und geht, Herr, manches Mal nach drei Tagen, ein andermal nach vier Tagen. Es wird auch das Wechselfieber genannt.«
    Hrabanus sah sie mit neu erwecktem Interesse an. »Sagen das die Schriften?«
    Anna zitierte aus dem Gedächtnis: »Die Krankheit beginnt mit einem sehr heftigen Zittern. Auf den Schwächeanfall erfolgen heftige Schweißausbrüche. Der ganze Anfall dauert ungefähr zehn bis zwölf Stunden.«
    »Das stimmt.«
    »Alexander von Tralles hat es geschrieben. Und wenn es wahr ist, werdet Ihr morgen oder übermorgen wieder von diesem Fieber befallen, und dann wieder und wieder.«
    »Gütiger Gott!«
    »Bis zu zwanzig Mal, heißt es. Und... Herr, es kann Euch so schwächen, dass Ihr zu Tode kommt.«
    Jetzt sah er sie sehr aufmerksam an.
    »Nun, dann werden wir es bald wissen, nicht wahr?« Anna nickte.
    »Und wenn es so ist, dann ist meine Zeit abgelaufen.«
 Anna hatte die Hände im Schoß gefaltet, aber ihreKnöchel waren weiß geworden, so fest hatte sie die Finger verschränkt.
    »Nein, Herr.«
    »Kind, ich fürchte den Tod nicht. Ich bin ihm mehr als einmal begegnet. Aber es dauert mich um die, die mich brauchen.«
    »Es muss nicht sein, dass Ihr sterbt, Herr!«, sagte Anna leise.
    »Geben denn deine alten Schriften etwa auch Kunde von einem Heilmittel?«
    »Ja, das tun sie. Aber...«
    »Nun? Welchen Schrecken bergen sie? Muss ich das Blut einer Jungfrau trinken oder lebende Kröten essen? »Ihr spottet, Herr.«
    »Entschuldige, Kind. Ich sehe, du willst mir helfen. Was muss ich tun, wenn das Fieber wiederkehrt?«
    »Einige sagen, das Herz eines Krokodils helfe, getrocknet und am linken Puls getragen. Andere schwören, dass Spinnen gegessen Heilung bringen.«
    »Krokodilsherzen sind schwer zu bekommen, Spinnen hingegen nicht. Aber ich bezweifle ihren Nutzen in diesem Punkt.«
    »Ja, ich ebenfalls.«
    »Was also schlägst du vor?«
    »Alexander von Tralles hat mit Arsenik dieses Fieber geheilt.«
    »Endgültig, vermute ich.«
    »Ich weiß, es ist giftig, Herr. Aber in sehr kleinen
    Mengen kann es vielleicht helfen. Auch andere giftige
 Stoffe sind Medizin, wenn man die Dosis richtig wählt.« »Wer sagt dir, welche Dosis die richtige ist?« »Niemand. Ich weiß es nicht.«
    »Also habe ich die Wahl, am Fieber oder am Gift zu sterben. Kind, ich ziehe das Fieber vor. Und nun lass micharbeiten, denn diese Aussicht verlangt, dass ich noch einiges zu regeln habe.«
    Bedrückt kehrte Anna zum Stift zurück, doch sie hatte Rosa bereits angekündigt, dass sie am kommenden Abend, wenn das Fieber nach ihrer Berechnung wieder einsetzen musste, vorsprechen würde.
    Es kam wie erwartet. Als sie an die Tür des Hauses ›Zum Raben‹ klopfte, teilte ihr Rosa mit, Hrabanus sei erneut von heftigem Schüttelfrost gepackt worden. Sie eilte an sein Lager.
    »Du hast Recht gehabt!«, stieß er mit klappernden Zähnen hervor. »Sumpffieber, Wechselfieber. Der Medikus... Aderlass empfohlen... und Spinnen.«
    »Ich habe das nicht zugelassen!«, sagte Rosa. »Herr, wollt Ihr auf mich hören?«
    Er stöhnte leise auf, als er sich aufrichten wollte. »Ihr habt Schmerzen.«
    »Alle Glieder. Und mein Kopf.«
    »Hört, das Fieber wird bald zu steigen beginnen, und Ihr werdet das Bewusstsein verlieren. Trinkt so viel von Rosas Fieberwasser, wie Ihr könnt.«
    Er nickte, zitterte dabei heftig, und sie legte eine weitere Decke über ihn.
    Die Nacht wachte sie wiederum bei ihm. Einmal wachte er in seinem Traum auf und griff nach ihrer Hand.
    »Anna«, flüsterte er.
    »Ich bin bei Euch, Hrabanus.«
    »Mein Kind... ich werde sterben.«
    »Nein, Herr, das werdet Ihr nicht.«
    »Kind, ich muss dir etwas sagen...
    Er klammerte sich an ihre Hand, und sie beugte sich über ihn. Sacht legte sie ihre Wange an die seine und flüsterte: »Still, mein Herr. Ich bleibe hier bei Euch.«
    »Wichtig, mein Kind... so wichtig...«
    »Es ist nur wichtig, dass Ihr lebt, Hrabanus. Nur das ist wichtig.«
    »Anna, mein Herz! Die Sterne... Sie wollen es nicht...«
    »Mein Geliebter.«
    »Mein Kind...«
    Er versank wieder in wirre Träume. Anna hielt immer weiter seine Hand, und Tränen flossen ihr über die Wangen.
    Ein heftiger Schweißausbruch beendete am Morgen das Fieber und ließ den Kranken erschöpfter denn je zurück. Am Nachmittag jedoch ging Hrabanus langsam und auf seinen Stock gestützt zu seinem Schreibpult. Als er seine Arbeit dort getan und das lange Schriftstück

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