Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
versiegelt hatte, rief er Anna und Rosa zu sich.
    »Rosa, mein Weib, Anna hat dir gewiss gesagt, um welche Krankheit es sich handelt.«
    »Ja. Und auch die Folgen hat sie mir genannt.«
    »Ich habe mich entschlossen, ihre Kur zu versuchen. Aber ihr beide wisst, was das bedeutet.«
    »Arsenik?«
    »Ja.«
    »Ich habe es bereits beschafft, mein Gemahl. Aber – ich habe Angst.«
    »Es ist mein Leben. Ich habe hier niedergelegt, dass ich freiwillig in diese Behandlung einwillige. Wenn mich auf die eine oder andere Weise der Tod ereilt, wird für euch beide gesorgt sein. Und nun bereitet das Medikament zu und lasst mich alleine.«
    Anna hatte in manchen Büchern nachgeschlagen, Rosa hatte versucht, sich an alles zu erinnern, was sie von dem Gift wusste, und gemeinsam stellten sie eine verdünnte Lösung von Arsenik her, von der sie hofften,dass es keine schädlichen Wirkung zeigte. Der Hofhund schließlich bekam davon einige Tropfen in sein Futter und überlebte unbeschadet die nächsten Stunden.
    Hrabanus nahm ohne zu zögern die Arznei ein, und der nächste Fieberanfall verlief etwas glimpflicher. Doch Anna verbrachte die Nacht betend auf ihren Knien. Der darauf folgende Anfall war ebenfalls milder, und schließlich schien es, als ob der kräftige Körper des Ratsherren die schädlichen Miasmen der italienischen Sümpfe besiegt hätten.
    Doch Anna erfuhr nicht, was Hrabanus ihr Wichtiges hatte mitteilen wollen, als er sich am Rande des Todes wähnte. Sie fragte ihn auch nicht.
    Stattdessen befragte sie die Sterne. Viele Stunden lang berechnete sie die Stellung der Planeten, wie sie für sie und den Ratsherren sich zum Zeitpunkt ihrer Geburt darstellten. Was sie daraus ablas aber war, dass Hrabanus’ Aussage stimmte. Die Sterne waren ihnen nicht günstig gesonnen. Sie waren gegen ihrer Liebe. Sie verboten ihre Liebe.
    Sie sprachen von Todsünde.
    In den nächsten Monaten, wenn Anna bei Rosa zu Gast war, traf sie dann und wann auch Marcel le Breton im Haus »Zum Raben« an. Der Ratsherr hatte sein Versprechen wahr gemacht, und dem ehemaligen Söldner ermöglicht, im Geschäftsleben von Köln Fuß zu fassen. Es waren unterhaltsame Stunden, die Marcel ihnen bescherte, wenn er mit Hrabanus aus dem Kontor kam und die Einladung der Hausfrau annahm, auf einen Schoppen zu bleiben. Er wusste spannende Episoden aus seinem bewegten Leben zu berichten, und, wenn der Hausherr nicht anwesend war, gelegentlich auch ein recht gewagtes Getändel mit Rosa oder Anna anzufangen. Rosa lachteleichtherzig darüber. Anna reagierte zunächst ein wenig verstimmt, aber es gelang Marcel meist, sie zum Lachen zu bringen. Ein paar Mal bot er sich auch an, sie zurück zum Stift zu begleiten. Sie begann, seine kameradschaftliche Art zu schätzen. Vor allem aber gewann er ihr Herz, als er um die Weihnachtszeit des folgenden Jahres im Haus »Zum Raben« mit ihr über seine Heimat sprach. Er hatte ein paar Gläser des schweren roten Weines getrunken, den Hrabanus seinen Gästen kredenzte, und auf ihre Fragen begonnen, ihr von dem fernen Land am Meer zu erzählen. So, wie er es schilderte, vermutete Anna, dass er unter Heimweh litt. Sie fühlte mit ihm, als er von den rauen Klippen berichtete, um die das graugrüne Meer tobte, aufgewühlt von den Winterstürmen. Sie sah die hoch aufsprühende Gischt, die sich an dem schroffen Gestein brach, Muscheln und Kiesel zermahlte, Treibgut anschwemmte, sich gelegentlich wütend in das Land fraß. Sie hörte das Rauschen, mit dem das Wasser über den weißen Sand schäumte, mit sich lange braune Tangbänder führte, die Schreie der Möwen, die mal wie höhnisches Gelächter klangen, mal in namenloser Einsamkeit über die kalten Fluten hallten. Sie roch den blühenden Ginster, der im frühen Sommer die Bienen mit seiner strahlend gelben Pracht anlockte, die blaue Luzerne und die weiße Kamille, die dem frisch gemähten Gras den süßen Duft schenkte, wenn es nach einem Regenschauer langsam trocknete. Sie fühlte das Moos und die graugrünen Flechten, die den alten, geheimnisvollen Steinen ihre bärtige Oberfläche gaben, die glatt geschliffenen, runden Granitsteine, von der Sonne gewärmt, rosa, gelblich, blau und immer ein wenig glitzernd. Sie schmeckte die Luft, von der Gischt mit feinem, salzigen Nebel gefüllt, aber auch die Süße der Feenbeeren, die in ihren dornigen Nestern schwarz schimmerten.
    »Wollt Ihr nicht zurückkehren, Herr Markus?«
    »Möglicherweise, eines Tages, Frau Anna. Es ist schön dort, und

Weitere Kostenlose Bücher