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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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ich, um meine Gedanken zu sortieren. »Du, ein ehemaliger Verbindungsbruder am College, mittlerweile verheiratet mit einer früheren Nachbarin von mir, die wiederum eine Studentenwohnung geteilt hat mit der Schwester meiner Verlobten, welcher du bereits begegnet bist, du bist vertraut mit Sprache und Kultur der Einwohner der Insel Korfu, darüber hinaus arbeitslos, darüber hinaus so weit, dein Lebensumfeld in geographischer, beruflicher sowie persönlicher Hinsicht radikal zu verändern? Stimmt das so?«
    Lang sah mich via Spiegel an. Sein Blick war abermals müde geworden. Aber eben nur das. Immerhin, er hatte an die Tür geklopft. Unsere Häuser, unsere Rhododendrons waren im Grunde dieselben. »Keine Ahnung, worauf du hinauswillst, Dick«, sagte er. Die Jukebox legte los mit »Eight Days a Week«, und ich stellte mir vor, wie der Anmacher mich von dem Apparat her angrinste. Ich verspürte eine überwältigende Lust zu wandern, Lang mitzunehmen zur Schlange vor dem Eingang zum Wald, während die Sonne langsam entschlief.
    » Ti symptosis «, sagte ich.
    Lenore schläft ungewöhnlich fest unter den kratzigen Decken des Howard Johnson. Ihr Atem trifft mich weich und süß. Ich nähre mich davon. Ihre Lippen sind feucht, der Schlaf hat ihren Mundwinkel bereits weißlich verklebt.
    Ich kenne Lenore nicht als Horizontale. Die schlafende Lenore ist ein unwirkliches proteisches Wesen. Wenn sie auf der Seite liegt, ist sie ein S, definiert von einer Brust und einer geschwungenen Hüfte. Nur kurz umgedreht, und sie rollt sich zusammen und wird zum Ausrufezeichen, zum Komma oder zur Klammer. Und dann wieder liegt sie offen, weich und ebenso vollkommen wie selten verwundbar vor mir, während ihre Augen mich ansehen: ein einziges großes V. Ich gestehe, dass ihr Schuh in meinem Schoß liegt, während ich dies schreibe. Das weiche Licht der Wandlampe hinter mir verbündet sich mit dem körnigkalten Geflacker des Fernsehers, um den Schatten von Lenores Kinn über ihren Hals zu werfen und den kleinen Adamsapfel, der von den nadelspitzen Zangen ihrer Haare gestreichelt wird, Haare von einem sanften Schwarz so wechselhaft wie Atem. Das Fiepen des Testbilds mit dem Indianerkopf reißt mich aus meinen Betrachtungen, und mir fällt auf, dass mir durch das aufrechte Sitzen im Bett, egal wie lang, der Hintern einschläft.
│i│
    Cat, Heat und der Breather lagen verteilt im gemeinsamen Wohnzimmer und in verschiedenen Stadien körperlichen Unwohlseins. Die Sonne schien durch die großen Westfenster, weil der Antichrist auf Lenores Vorschlag hin um vier Uhr die Vorhänge aufgezogen hatte. Sie flutete den Raum mit ihrer späten Wärme und ließ den Staub in der Luft aufleuchten. Die Sonne selbst, noch hoch am Himmel, wurde an ihrer Schnur eingeholt wie ein Luftballon und rötete sich anschwellend, bis sie hinter dem Art Building verschwand und den Raum in kühler Schwärze zurückließ. Cats prophylaktisches Head-Banging war leider nicht geeignet gewesen, die Nausea einzudämmen, und so sah es in seiner Ecke nicht allzu schön aus.
    Unterdessen waren Lenore und der Antichrist längst draußen. Lenore ließ sich von Sonne und Wind die Haare trocknen, und LaVache bekam endlich etwas Bewegung. Sie redeten im Gehen, aber nicht viel. Selbst mit Lenores Hilfe dauerte es seine Zeit, bis sie oben am Art Building angekommen waren, die Wiese mit ihren Wurzeln und Frisbee-Spielern umrundet hatten und auf Memorial Hill standen, wo sie auf den südlich gelegenen Wald und das Vogelschutzgebiet hinunterschauten, hinweg über die Sportplätze und Felder, auf denen sich die Wasserstrahlen der Beregnungsanlage im Wind wanden und ein dichter Wassernebel über den feuchten Feldern hing, der sich in allen Farben brach, als die Sonne tief genug stand. Einige winzig kleine Tropfen trug der Wind nach Norden und benetzte damit Lenores Augenlider und Lippen, als sie sich mit dem Antichrist oben auf den Hügel setzte, wobei sie ihm übrigens helfen musste, ehe er sein Bein auf dem grasbewachsenen Hang ausstrecken konnte. Von dort sahen sie hinunter auf Feld und Wald und die Berge dahinter, die violett und verschleiert im Wärmedunst der Ferne standen.
    Ganz in der Nähe von Lenore und dem Antichrist hatte eine Familie den Hügel erklommen: ein Vater in kariertem Sakko und weißen Lederschuhen, eine Mutter mit rotem Baumwollrock, hoher Frisur und Krampfadern an den Waden, ein kleines rothaariges Mädchen, vielleicht fünf Jahre alt, mit großen grünen Augen,

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