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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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ehrgeizig. Sie und ihr Manager besser gesagt. Der heißt schon so: Ambitious Al. Sie haben Blut geleckt.« Und noch mehr Bier. »Jetzt will sie ins Fernsehen.«
    »Fernsehen?«
    Lang starrte sich an. »Kennst du doch. Die Stimme, die sagt: ›Hier ist CBS‹ oder ›Hier ist ABC‹ oder ›Bleiben Sie dran, wir sind gleich wieder für Sie da.‹ So eine Stimme will sie werden. Das ist ihr großes Ziel.«
    »Mein Gott.«
    »Yeah.«
    Ich hätte mir beinahe in die Hose gemacht. Die einzige Hose, die ich auf diesem Kurztrip dabeihatte.
    Ich rutschte von meinem Barhocker, streckte mich und tat so, als müsse ich gähnen. »Ich will nur mal kurz auf die Toilette«, erklärte ich. »Ich glaube, auf einer Kabinentür müssten noch meine Initialen sein.«
    Lang lächelte uns beide an. »Meine auch. Ich habe damals in alles meinen Namen geritzt.« Er stand auf. »Was dagegen, wenn ich mitgehe? Könnte dabei auch eine Stange Wasser in die Ecke stellen.«
    »Kein Problem«, sagte ich.
    Auf der Herrentoilette stand Lang fachmännisch vor dem Pissoir und zielte auf den Duftstein. »Platz für zwei hier, Big Boy«, sagte er.
    Ich murmelte etwas und ging schnell in eine Kabine, um dort angeblich nach meinen Initialen zu suchen, aber so, dass ich die Tür hinter mir schließen konnte. Ich versuchte, es so lang wie möglich hinzuziehen, aber selbst nachdem mein allerletzter Tropfen verhallt war, hörte ich noch Langs lauten Strahl. Keine Frage, das war ein Amherst-Mann.
    Dann schaute ich nach meinen Initialen. Aber ich muss mich wohl vertan haben, als ich dachte, ich hätte auf dem Herrenklo des Flange ein weiteres R. V. hinterlassen. Ich meinte sogar, mich an den Tag zu erinnern, am dem ich es oberhalb des Riegels ins Holz geritzt hatte. Aber alles, was ich dort fand, war ein scharf gezacktes W. D. L., längst mit lila Filzstift ausgemalt. Eingehend sah ich mir jeden Quadratzentimeter der Kabine an, bis Langs Schuhe unter der Tür erschienen.
    »Hier ist nichts«, sagte ich und öffnete die Tür. »Meine Initialen sind offenbar nicht mehr da.«
    »Naja, 1969 ist schon eine Weile her. Vielleicht haben sie inzwischen die Tür ausgewechselt«, sagte Lang, indem er in die Kabine trat und die Tür zumachte, sodass ich mich auf die Toilette setzen musste, damit er Platz hatte.
    »Jedenfalls dieselbe Tür wie 1983, und hier, da bin ich«, sagte er und zeigte auf das tief ins Holz gegrabene W. D. L. über dem Riegel. Mit seinem breiten Daumen wischte er über die Buchstaben, um wer weiß was zu entfernen.
    »W. D. L. für Andrew Sealander Lang?«, fragte ich.
    »Nein, auf der Uni hieß ich immer nur Wang-Dang Lang«, sagte Lang grinsend. »Und gute Freunde nennen mich heute noch so. Du kannst auch Wang-Dang zu mir sagen, wenn du willst.« Selbstverliebt schaute er auf seine Initialen.
    »Danke«, sagte ich und hatte das Gefühl, schon wieder pinkeln zu müssen.
    Dann kam von draußen ein Geräusch, als würde die Tür aufgemacht. Gekicher, unter dem ich auch die Stimme des Anmachers zu erkennen glaubte. Sie mussten unter der Seitenwand zwei Schuhpaare gesehen haben. Laut erledigte die Gruppe ihr Geschäft und ging irgendwann wieder, aber nicht ohne mehrmals das Licht an- und auszuschalten. Ich kümmerte mich nicht darum, denn mich beschäftigte, wie meine Erinnerung an die Initialen trotz des ernüchternden Befundes klar und deutlich weiterexistieren konnte. Denn die Tür schien mir die alte zu sein. Auch Lang starrte gedankenverloren auf diese Tür.
    »Sag mal, ist deine Freundin die jüngere Schwester von Clarice?«, fragte er unvermittelt.
    Ich sah von der Toilette zu ihm hoch. »Ja«, sagte ich. »Ja, Lenore ist zwei Jahre jünger als Clarice.«
    »Dann bin ich ihr schon einmal begegnet«, sagte Lang und stocherte mit dem Finger zwischen seinen Backenzähnen, um schließlich ein gelbbraunes Etwas hervorzuziehen. Er betrachtete es. »Weil Clarice eine Schwester zu Besuch hatte an dem Abend, an dem ich meine Frau kennen lernte. Oder war das die Schwester von der anderen?« Er kratzte sich. »Nein, ich bin sicher, es war die Beadsman. Wenn mich nicht alles täuscht, hat sie gesagt, ihr Name sei Lenore Beadsman.« Sein Blick glitt in die Ferne.
    »Also hast du sie im Grunde vor mir kennen gelernt«, sagte ich.
    Lang grinste zu mir herunter. »Und du kanntest meine Frau schon, als sie noch ein kleines Kind war.«
    Ich grinste zurück. »Na, so klein war sie damals auch nicht mehr.«
    »Verstehe, was du meinst«, lachte Lang, und

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