Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
Vom Netzwerk:
schläfrig? Nein, eigentlich nicht. Mandrax macht mich kein bisschen schläfrig mehr.«
    »Was macht es dann?«
    Der Antichrist sah auf sein Sprunggelenk. »Es macht, dass ich woanders bin.«
    Lenore schaute auf das kleine Mädchen.
    »Und jemand anderes«, sagte LaVache zu seinem Sprunggelenk. »Abgesehen davon zeigt mein Cortex cerebri eine gesteigerte Aktivität, weil ich mit Nervous Roy Keller noch die Hegel’sche Sublimation durchgehen muss, echtes Scheißthema. Und Nervous Roy ist viel zu nervös, um etwas anderes als klar präsentierte Information zu verarbeiten. Klare Präsentation war nicht unbedingt Hegels Stärke.«
    Lenore zog an einem Grashalm. Mit einem schwachen Quietschen löste er sich aus der Erde. »Wie kommt es eigentlich, dass du für alle anderen die Hausaufgaben machst, Stoney?«
    »Na, was meinst du , wo Lenore ist?«, fragte der Antichristsein Bein.
    »Warum machst du anderer Leute Arbeit, aber deine nicht?«, fragte Lenore. »Du bist der gescheiteste Mensch, den ich kenne, John eingeschlossen.«
    »Und das heißt?«
    »Warum tust du das? Du bist ständig bekifft, oder?«
    Der Antichrist holte einen Joint aus seiner Schublade. »Ich habe ein Bein zu ernähren.«
    »Warum wohl?«
    Routiniert trotz des auffrischenden Windes setzte der Antichrist seinen Joint in Brand und schaute durch die dicke Wolke seine Schwester an. »Es ist mein Ding«, sagte er. »Jeder hier macht sein Ding. Hier muss man ein Ding haben. Und mein Ding ist, der Antichrist zu sein, also menschlicher Abfall, der nichts weiter tut, als sein Bein zu füttern. Ein tragisch vergeudetes Talent sozusagen. Nur, ohne Ding kannst du hier nicht sein, Lenore – ungeachtet eines Mr. Vigorous.«
    »Was soll das denn wieder heißen?«
    LaVache schaute über Lenores Kopf hinweg in die Sonne. »Langsam, langsam. Ich möchte nur klar sehen.« Er kratzte sich an der Braue. »Du hast also den weiten Weg gemacht, bist ausgerechnet zu mir gekommen, dem Randständigsten aller Beadsmans, um mich davon in Kenntnis zu setzen, dass du nicht weißt, wo sich gewisse Leute derzeit aufhalten, und willst mich fragen, ob ich das zufällig weiß? Und du tust es auf Dads Geheiß?«
    »Dad will wissen, ob du etwas gehört oder eine Idee hast, wo Lenore und John, hauptsächlich aber Lenore, sein könnten.«
    »Natürlich.«
    »Und du sagst, du weißt es nicht?«
    »Richtig.«
    »Weißt du von der Sache, die Großmutter zusammen mit Dad unternimmt?«, fragte Lenore. »Das mit dem Altersheim?«
    »Mehr oder weniger. Eher weniger als mehr.«
    Das kleine grünäugige Mädchen näherte sich abermals, blieb dabei aber im langen Schatten seiner Mutter. Der Antichrist schien sie zu faszinieren, auch wenn er ihr anscheinend keine Beachtung schenkte.
    »Wie kommt’s?«
    »Wie kommt was?«
    »Wie kommt’s, dass du davon weißt?«
    »Lenore, glaube ich, hat mir mal davon erzählt, aber nur auf ihre eigene, einzigartig epigrammatische Weise.«
    »Und wann?«
    »Schon eine Weile her. Ich habe für sie und Mrs. Kling etwas berechnet.«
    »Yingst.«
    »Yingst. Faktormodelle und multiple Regression, so was in der Art, das war zu Weihnachten letztes Jahr. Eigentlich eher Johns Gebiet, aber der hungert sich noch zu Tode. Was man von dem Bein nicht behaupten kann. Das Bein hat sich die hundert Ocken sofort einverleibt.«
    »Hast du eine Ahnung, warum Lenore ausgerechnet mir nichts davon gesagt hast?«
    »Nicht die allergeringste«, sagte LaVache. Als Lenore von ihrem Grashalm aufblickte, saß das kleine Mädchen direkt neben dem Antichrist, die kleinen zarten Beine in den Lackschuhen vor sich ausgestreckt. Der Antichrist ließ das Mädchen das Bein anfassen. Zu Lenore sagte er: »Ich gestehe allerdings, dass auch ich mich manchmal frage, worüber du mit Lenore eigentlich die ganze Zeit redest. In diesem Sommer warst du dauernd bei ihr.«
    »Nicht nur. Ich war auch bei Concarnadine und hab ihr vorgelesen.«
    »Ich bin froh, dass überhaupt jemand diesen Anblick aushält.«
    »Wer sagt, dass ich diesen Anblick aushalte?«
    »Sie mag Die Abenteuer des Peter von Seidenschwanz . Mit Ollie dem Otter und Sergio der Schlange.«
    »Ich war jetzt längere Zeit nicht mehr bei ihr. Aber das letzte Mal hat ihr das Buch noch gefallen. Zumindest gab sie so Laute von sich, aus denen sich schließen ließ, dass es ihr gefiel.«
    »Wie schön«, sagte LaVache. »Kannst du sie nicht öfter besuchen? Sie ist wahrscheinlich ziemlich einsam da. Kannst du das machen?«
    Lenore sah, wie das kleine

Weitere Kostenlose Bücher