Der Besen im System
anderen Stonecipheco(!) Produkten beigemischt wird, die geistige Entwicklung von Kleinkindern, etwa beim Spracherwerb, signifikant beschleunigen.
Nun hofft man bei Stonecipheco auf eine rasche Kapitalisierung. »Interne Tests haben gezeigt, dass die Kids tatsächlich Monate, wenn nicht Jahre früher anfangen zu sprechen als bisher«, verlautete in dieser Woche aus Firmenkreisen.
»Das bedeutet möglicherweise nicht nur eine marktbeherrschende Stellung, sondern eröffnet auch völlig neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Ernährung und mentaler Entwicklung, also zwischen dem, was der Körper braucht und der Geist tun kann.«
Die Frage, die alle beschäftigt: Wusste Gerber von dem wissenschaftlichen Durchbruch bei Stonecipheco? Darüber schweigen sich die Beteiligten aus, doch es ist wohl kein Zufall, dass die erste Breitseite im beginnenden Werbefeldzug gerade in Cleveland abgefeuert wird, nicht einmal einen Steinwurf von der Stonecipheco-Zentrale entfernt. Dazu kommt, dass sich die beiden Bosse, Robert Gerber und Stonecipher Beadsman III, seit gemeinsamen Studienjahren am kleinen, aber feinen Amherst College kennen.
Aber nicht nur deswegen wittern Anleger im Foodsektor Morgenluft. Nachrichten vom ungezügelten Raubzug des Gen-Tech-Giganten Norman Bombardini (wir berichteten) in mehreren regionalen ...
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»... und um einmal mehr zu wiederholen, was wir, ich und du, bis zum Erbrechen gehört haben, nämlich dass die Bedeutung einer Sache mehr oder weniger mit seiner Funktion identisch ist. Et cetera, et cetera, et cetera. Hat sie bei dir auch die Sache mit dem Besen abgezogen? Nicht? Welches Beispiel hat sie denn jetzt? Also ich musste mich – ich war damals acht oder zwölf, wer weiß das heute noch? –, ich musste mich in die Küche setzen und zugucken, wie sie einen Strohbesen nahm und anfing, wie wild zu fegen. Dann fragte sie mich, welcher Teil des Besens der eigentliche sei meiner Meinung nach, die Borsten oder der Stiel. Borsten oder Stiel. Und da ich herumdruckste, fegte sie weiter, noch wütender als zuvor. Und um überhaupt etwas zu sagen, sagte ich, vermutlich die Borsten, weil man notfalls auch ohne Stiel fegen könne, wenn man den Besen wie eine Bürste benutzte. Darauf stieß sich mich vom Stuhl und schrie mich an: »Aha, du willst also, dass ich mit dem Besen nur den Dreck aufkehre, du meinst, allein dazu wäre ein Besen da?« Et cetera. Aber was, wenn wir den Besen benutzen wollten, um damit eine Scheibe einzuschlagen? Wäre da nicht der Stiel der eigentliche Teil des Besens? Und demonstrierte es auch gleich am Küchenfenster, worauf erst einmal alle Hausangestellten zusammenliefen. Doch wenn wir mit dem Besen nur etwas aufkehren wollten, zum Beispiel die Scherben auf dem Boden, bitte schön, dann seien die Borsten das Eigentliche. Hmm, hat sie nicht? Mit was dann? Mit Bleistiften? Letztlich auch egal. Der Zweck als Essenz des Ganzen. Der Nutzwert bestimmt das Sein. Wie bitte? Warum ich das sage? Lenore, bitte. Wovon redest du? Was ist daran so schwer zu verstehen? Sie fühlt sich nutzlos. So, als hätte sie in diesem Altersheim keine Funktion mehr. Nein, warte, darauf komme ich noch. Diese Nutzlosigkeit ist der Schlüssel zu allem. Natürlich, sie weiß auch, dass es dazu keine Alternative gibt. Pflege rund um die Uhr bei exakt siebenunddreißig Grad, zumal sie in dem alten Haus auch nicht glücklich war, voll gestopft mit Erinnerungen an verlorene Funktionen. Nein, wir hatten keine Wahl. Wir haben ihr dieses Altersheim gekauft, auch wenn es eine schlechte Investition war. Wenn das keine Liebe ist. Aber jemand, der den Sinn einer Sache nur in seinem Nutzwert sieht, so jemand fühlt sich in einem Altersheim tatsächlich nutzlos, aber das ist von unserer Seite her nicht zu ändern. Sie sagte mir, sie sei unglücklich dort. Sie kam zu mir und sagte, sie sei unglücklich. Seltsam, dass mir das gerade jetzt einfällt, wo ich an meine eigene Mutter denke, in der Abteilung für Alzheimerkranke. Das hat auch Großmutter Lenore sehr beschäftigt. Wie Bloomfield schon sagte, die Patienten dort wissen am Ende nicht einmal die Wörter für die einfachsten Gegenstände, Fernseher, Wasser, Tür ... und wie sich Lenore für solche Fälle ein System von Eselsbrücken überlegte, in dem jedes Ding anhand seiner Funktion erklärt wurde. Hat sogar entsprechende Mini-Wörterbücher verteilen lassen, mit goldgeprägter Schrift und einem Bild von Lawrence Welk auf dem Deckel.
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