Der Besen im System
sich am Eingang für fünf Dollar einen Wanderpass. Die wirklich trostlosen Gebiete sind manchmal ziemlich überlaufen, deshalb lohnt es sich, möglichst früh zu kommen, dann kann man bis Mittag einiges wegwandern.«
»Vielleicht fahren Brenda und ich demnächst hin. Ich habe den Eindruck, ich bin reif für das ... Düstere. Brenda, glaube ich, auch. Stimmt doch, Schnuckimaus?« Bloemker stupste sie spielerisch ans Kinn, worauf Brenda nach hinten kippte, bis ganz in die Nähe von Mary-Anns Hand, und ihre Beine von unten gegen die Tischplatte stießen. Doch mit einem leichten Zittern federte sie ebenso schnell wieder zurück. Lenores Augen wurden zu zwei schmalen Schlitzen.
»Hmmm.«
»Ein weiterer Punkt, der mich, offen gesagt, sehr erheitert«, sagte Mr. Bloemker und saugte an seinem Strohhalm, durch den, dem Geruch nach, ebenfalls ein Twizzler floss, »auch wenn das jetzt vielleicht abschätzig klingt, was es aber nicht ist, ist der: Unsere Hausbewohner, diese alten Leute, waren diejenigen, die unsere Kultur zu dem gemacht haben, was sie ist. Mit Kultur meine ich nicht die Kultur dieses Landstrichs, nicht die Kultur von Ohio, die ich ohnehin nie begreifen werde. Besonders die Frauen, scheint mir, haben einen großen Anteil daran. Wir meinen ja immer, die sexuelle Revolution wäre eine Leistung unserer Generation. Aber das ist, verzeihen Sie, Mumpitz. Erfunden haben sie, vor allen anderen, die Frauen, die heute in unserer Einrichtung leben. Alles, wovon wir heute profitieren, ist ihr Werk. Sie waren die Ersten, die ihr Haar kurz trugen. Die Ersten, die sich herausnahmen zu rauchen, zu trinken oder allein tanzen zu gehen. Vom Wahlrecht ganz zu schweigen. Sie waren die Ersten, die voll geschäftsfähig waren und eigene Unternehmen besaßen. Sie, die heute im Rollstuhl sitzen, mit einer Decke auf den Knien, waren die eigentlichen Pioniere.«
»Sagen Sie, ich glaube, Brenda geht es überhaupt nicht gut«, sagte Lenore. »Sie hat sich in der ganzen Zeit kein einziges Mal bewegt, nicht mal mit den Augen geblinzelt, nicht mal geatmet. Was ist denn mit ihr los?«
»Dass sie sich die Haare abgeschnitten haben, das fasziniert mich am meisten. Es hat diese Frauen aus einem Gefängnis befreit, einem ästhetischen Gefängnis. Es hat sie befreit von der Tyrannei der tausend Bürstenstriche vor dem Schlafengehen, der Vorherrschaft einer Kultur, die am Ende ... doch Sieger geblieben ist.«
»Ich muss Ihnen sagen, die starren Augen machen mir Angst. Und was ist das eigentlich hinten an ihrem Nacken?«
»Ein Pickel, ein Leberfleck, was weiß ich.«
»Nein, das sieht aus wie ein Ventil. Das ist ein Luftventil. Hier, sehen Sie, da ist die Kappe. Sagen Sie, Sie sitzen hier mit einer aufblasbaren Puppe?«
»Seien Sie nicht albern.«
»Aber ja, das ist eine aufblasbare Puppe! Das ist gar kein Mensch.«
»Brenda, das ist nicht mehr komisch. Zeig Ms. Beadsman, dass du ein Mensch bist.«
»Gütiger! Sehen Sie mal, sie ist ja federleicht, ich kann sie einfach so hochheben.« Lenore hob sie an ihrem Schenkel nach oben, wo sie jedoch ihrer Hand entglitt und mit dem Kopf zwischen Sitzbank und Mary-Anns Hand stecken blieb. Ihre Beine ragten jetzt in die Luft, ihr Kleid rutschte hoch.
»Ach du liebes Lottchen«, sagte Mr. Bloemker.
»Ach, eine von diesen Puppen ist das? Das ist ja ekelhaft. Wie können Sie sich mit einer anatomisch korrekten Gummipuppe in der Öffentlichkeit blicken lassen?«
»Ich muss gestehen, ich bin selber überrascht. Ich muss blind gewesen sein. Ich hielt sie lediglich für etwas schüchtern. Für mich war sie nur eine Frau aus dem Mittleren Westen mit einem nicht ganz eindeutigen Verhältnis zur ...«
»Schöne Puppe haben Sie da«, bemerkte ein Gast am Ellbogen von Mrs. Howell.
»Ich glaube, Brenda und ich gehen jetzt besser«, sagte Mr. Bloemker und zog an Brendas Gummibein. Doch Brenda war eingekeilt. Lenore sprang Mr. Bloemker zur Hilfe. Gemeinsam bekamen sie Brenda frei, aber Brendas Kleid verhakte sich an Mary-Anns Daumen, riss und fiel zu Boden.
»Heilige Scheiße«, sagte Lenore.
»Heiliger Strohsack«, sagte der Gast an Mrs. Howells Ellbogen. »Wo haben Sie die denn her? Sind diese Dinger eigentlich sehr teuer?« Auch andere Gäste drehten sich jetzt nach ihnen um. Es wurde still in der Bar.
»Ist mir das peinlich ...«, murmelte Mr. Bloemker.
»Ich würde sagen, wir treten jetzt lieber den geordneten Rückzug an«, sagte Lenore.
»Es war trotzdem schön, mit Ihnen gesprochen zu haben.
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