Der Besen im System
Erwachsene hassten das Spiel, Kinder fanden es ganz toll. Doch die ewigen Gesetze des Universums hatten bestimmt, dass sich immer ein Erwachsener opfern musste. Es war ein Würfelspiel mit Figuren. Je nachdem, auf welchem Feld man landete, führte der Weg entweder hinauf zu einer goldenen Leiter am oberen Brettrand (deren Erklimmen das eigentliche Ziel des Spiels war) oder eben über die Rutsche hinab. Leitern waren gut, denn sie sparten Zeit, man musste nicht so oft würfeln und kam trotzdem weiter. Wären da nicht die Rutschen gewesen. Eine Rutsche warf einen wieder ganz weit zurück an den unteren Teil des Bretts, wo man von vorn anfangen musste. Je höher die Position auf der Leiter, desto größer auch die Wahrscheinlichkeit, auf eine Rutsche zu kommen. Ein langer und mühsamer Aufstieg über mehrere Leitern endete meist kurz vor der goldenen Leiter, wo sieben Rutschen ihr fürchterliches Maul aufrissen. Die Kinder fanden den Absturz so kurz vor dem Ziel unglaublich lustig. Lenore dagegen hätte das ganze Spiel am liebsten an die Wand geknallt.
»Au ja«, sagte Lenore.
»Hier ist dein Wasser«, sagte Alvin.
»Ein paar Tiefkühlerbsen?«, fragte Clarice.
»Danke.«
Spatula jammerte, Stoney habe gemogelt und seine Spielfigur verschoben (ein kleiner lachender Plastik-Buddha mit integriertem Bleistiftspitzer im Kopf, ein Teil, das auf der Jahreshauptversammlung von Stonecipheco tausendfach verteilt wurde), und zwar von einer Position unmittelbar vor einer drohenden Rutsche auf eine solche mit guten Leiter-Chancen. Es kam zu Streitereien, während Lenore einige Tiefkühlerbsen zu sich nahm. Clarice tröstete Spatula, während Alvin an der Seitenhalterung des Großbildschirms fummelte.
Dann war die Ruhe wiederhergestellt, die Seitenhalterung sah gut aus. Alvin rieb sich die Hände.
»Und wie läuft’s mit Cabana Tan?«, wollte Lenore von Clarice wissen, das Glas in der Hand. Clarice besaß und leitete in Cleveland fünf Sonnenstudios der Cabana-Tan-Kette. Gekauft hatte sie die Sonnenstudios mit dem Erlös aus dem Verkauf des Stonecipheco-Aktienpakets, das sie zu ihrer Graduation erhalten hatte, worüber Lenores und Clarice’ Vater anfangs nicht begeistert gewesen war. Doch er beruhigte sich schnell wieder, als Clarice den von Stonecipher Beadsman geschätzten Alvin Spaniard heiratete, dessen Vater bereits in Stonecipheco-Diensten gestanden hatte. Überhaupt entwickelte sich alles prima für Clarice. Sie konnte, genau wie Alvin, ungestört ihrem Beruf nachgehen, weil die Kinder tagsüber gut aufgehoben waren, nämlich bei Nancy Malig im Beadsman-Anwesen in Shaker Heights, derselben Nancy Malig, die schon das Kindermädchen von Lenore und Clarice gewesen war.
»Cabana Tan macht sich«, sagte Clarice. »Der verregnete Sommer hat uns sehr geholfen. Die Leute wollen etwas dagegen tun. Aber der große Ansturm kommt erst noch, wenn es auf den Herbst zugeht und die Urlaubsbräune verblasst. Bis spätestens November liegt halb Cleveland bei uns auf dem Grill.«
»Und Misty Schwartz?«
»Sorry, darüber kann ich nicht sprechen. Darum kümmert sich der Anwalt. Aber wenn man von der Schwartz–Sache absieht, wird es im Herbst richtig brummen.«
»Toll.«
»Und bei dir? Immer noch in der Telefonzentrale? Wie geht’s deinem Vogel?«, fragte Clarice. Lenore sah, wie Alvin in der Mitte des Wohnzimmers Tochter Spatula hoch in die Luft hob, wobei Spatula vor Vergnügen kreischte und mit den Beinen strampelte.
»Hör mal, ich muss mit dir reden, am besten allein. Wir können ja später Rutsche-und-Leiter ...«
»Tja, das Problem ist nur, in zehn Minuten fängt das Familientheater an.«
»Dann vielleicht hinterher, wir könnten uns ...«
Auf dem Großbildschirm war ein Abspann mit Zeitlupen-Studien von Wettläufern zu sehen. Stoney warf mit einem Buddha-Baby nach Spatula. Die Figur verfehlte ihr Ziel, prallte stattdessen mit hellem Ton gegen einen Blumentopf aus Messing. Der Kopf eines Moderators füllte den Bildschirm aus.
»Wir sind gleich wieder für Sie da mit einem ... Turnen der Frauen und einem Live-Gespräch mit einer ... gewissen jungen Dame«, sagte der Moderator geheimnisvoll.
»Kopek Spasova«, sagte Lenore.
Alvin sah hoch. »Bist du sicher?«
»Ich hab das im Gefühl. Jede Wette, sie bringen Kopek Spasova.«
»Heilige Scheiße«, sagte Alvin. »Ich muss mir was zum Schreiben holen.«
»Alvin, Familientheater beginnt in acht Minuten.«
»Ich muss mir aber Notizen machen. Diese Spasova ist Gerbers
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