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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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Nichts Besonderes, nur der übliche frühmorgendliche, sirupträge, sirupfarbige Strom. Doch dieser Strom teilt sich auf einmal und teilt sich noch einmal, wird zwei-, drei-, vier-, fünf-, zehnstrahlig. Bald bin ich Ausgangspunkt einer in alle Richtungen spritzenden Urinfontäne, die die Wände durchnässt, bis es den Putz wegreißt und ganze Fluten um meine Füße strudeln. Als ich aufwachte – allein, lenorelos, deshalb ja der Traum –, wurde mir wirklich unheimlich zumute, denn ich hatte nicht nur ins Bett gemacht, auch Fenster und Zimmerdecke waren nass. Ich kann noch nicht abschätzen, was Jay dazu sagen wird, aber gut möglich, dass ich ihn dann umbringe.
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    »... deshalb haben wir die kleine Kopek gebeten, noch einmal jene Wundertat am Stufenbarren zu wiederholen, die ihr auf der ganzen Welt Edelmetall eingebracht hat. Und denken Sie daran, diese Vorführung wird Ihnen präsentiert mit freundlicher Unterstützung der netten Leute von Gerber’s Quality Brands, der Babynahrung, an der Ihr Kind zu knabbern hat.«
    »Ja«, sagte Ruble Spasov. Er und der Moderator, Mikrofon-Kabelschlangen hinter sich her ziehend, begleiteten Kopek zum Stufenbarren. Ein knapper Felgaufschwung und schon flog sie wirbelnd zwischen den Stangen hin und her, die den schmalen Körper bei jedem Kontakt aufs Seltsamste verbogen.
    »Ruble, ich sehe gerade, Sie haben immer einen Elektrostab dabei, wenn Ihre begnadete Tochter und Schülerin ihre atemberaubenden Kunststücke vorführt«, sagte der Moderator. »Was hat es damit auf sich?«
    Ruble Spasov hob die Brauen. »Ist nur, was Sie nennen Netz und doppelter Boden. Kapelika fühlt sicherer und besser, wenn weiß, dass immer Elektrostab in Nähe von Akrobatika.«
    »Und welch gekonnt vorgetragene Akrobatik!«, sagte der Moderator.
    »Der Kerl ist ja wahnsinnig,« sagte Alvin Spaniard. »Das ist ein lupenreiner Faschist.«
    »Trotzdem, ich finde sie einfach super«, sagte Lenore. »Guck mal, wie sie sich mit den Zehen festhalten kann ... da ! Mein Gott!«
    »Na und, mit prähensilen Ringelzehen ist das nicht schwer«, sagte Alvin. »Geh mal in den Zoo, da siehst du massenhaft solche Zehen.«
    »Stänkerei riecht niemals gut«, sagte Clarice.
    Lenore schnüffelte an ihrer Achselhöhle.
    »Familientheater in anderthalb Minuten«, sagte Clarice.
    »Sie ist sowieso gleich fertig«, sagte Lenore. »Nur noch den Schluss, wo sie auf einer Fingerspitze landet, das ist vollkommen irre ... da ! Nicht zu glauben, oder? In einer Woche tritt sie in der Erieview Plaza auf.«
    »Aber du erzählst mir davon«, sagte Alvin.
    »Kein Problem. Ich gehe ja auf jeden Fall hin.«
    »Spatula, Liebes, holst du uns bitte die Publikums-Diskette? Hat noch jemand Fragen zum Text? Und, Alvin, bitte, keine beruflichen Sachen während der Familienzeit.« Clarice schob den Couchtisch an die Wohnzimmerwand.
    »Meine Damen und Herren, Ruble und Kopek Spasov und Spasova: ein unschlagbares Team und, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben, ein phantastischer Neuzugang für unser herrliches Land«, sagte der Moderator. »Ruble und Kopek Spasova.«
    »Bitte gehen Sie jetzt«, sagte Ruble Spasov. Ed McMahon war wieder im Bild. Stoney stand auf und schaltete um auf Input Laserdisk.
    Clarice verteilte die Masken. Es gab eine Clarice-Maske für Clarice, eine Alvin-Maske für Alvin, eine Stonecipher-Maske für Stonecipher, eine Spatula-Maske für Spatula. Die Masken waren sehr gut und sehr lebensnah. Clarice hatte sie alle im Hobbykeller selbst gestaltet, aus Gips, Pappmaché und Reynolds-Alufolie. Cabana Tan hin oder her, dachte Lenore, Clarice war in vielerlei Hinsicht eine Künstlerin. Und besonders gut war sie bei Sachen mit Gesichtern. Jedes Jahr zum Geburtstag schenkte sie ihrem Vater, Lenores Vater, Tennisbälle mit dem Konterfei von Bob Gerber und Erv Beechnut. Stonecipher Beadsman spielte gern mit diesen Bällen. Heimlich fertigte Clarice sogar einige Stonecipher-Beadsman-III-Bälle, auf die Alvin und sie von Zeit zu Zeit eindroschen. Und etwa ein Jahr zuvor, in einem dunklen Abschnitt ihrer Ehe, tauchte zeitweise auch eine Dose mit Alvin-Bällen auf.
    Die Publikums-Diskette wurde eingelegt, und auf dem Großbildschirm erschien, aus der Bühnenperspektive, ein Auditorium mit fein gemachten Leuten, die Programmhefte in der Hand hielten. Allmählich begann sich der Saal zu füllen. Clarice holte die Masken für die Kinder. Lebensgroße Pappfiguren von Alvin, Clarice, Stoney und Spatula wurden beidseits des

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