Der Besen im System
Massenvernichtungswaffe.«
»Sozusagen Gerbers Zirbeldrüsenextrakt«, sagte Lenore.
»Herr im Himmel«, sagte Alvin und wühlte in seinem Aktenkoffer. Stoney und Spatula hatte das Geschehen im Fernsehen völlig eingenommen. Im Schneidersitz starrten sie auf den Bildschirm. Mit einem Fuß schob Clarice Rutsche-und-Leiter unauffällig unter das Sofa.
»Ich hole schon mal die Requisiten, dann können wir sofort anfangen, wenn das vorbei ist«, sagte Clarice. Lenore trank von ihrem Mineralwasser und aß von der Zitrone an der Oberfläche.
Ed McMahon trat auf und warb für einen Mini-Staubsauger, der wahre Wunder vollbringen und auch noch die letzte Wollmaus aus dem Bauchnabel saugen sollte. »Zeig’s uns, Ed! Mach den Sack zu! Verkauf es!«, rief Alvin Spaniard und grinste begeistert Richtung Fernseher.
»Ist das normal oder Kabel?«
»Ich glaube über Antenne. Ich glaube, das ist Curt Gowdy, der die Olympia-Rückschau macht. Okay, von mir aus kann es losgehen.« Alvin hatte sich die Brille aufgesetzt und Block und Bleistift zurechtgelegt.
»Ihr habt aber eine Menge Zusatzgeräte an eurem Fernseher«, sagte Lenore.
»Wir sind eine Familie, die ihr Home-Entertainment sehr ernst nimmt«, sagte Alvin. Stoney sah zu Lenore hinüber und nickte. Alvin raufte sich die Haare.
»Da sind wir live zurück«, sagte der Moderator im Fernsehen.
»Schnell, Mami, wir sind live zurück«, rief Stoney.
»Schh«, sagte Alvin.
»Ich stehe hier mit dem begnadeten sowjetischen ... exsowjetischen Trainer Ruble Spasov«, erklärte der Moderator, »der die nicht weniger begnadete exsowjetische Turnerin und auf keinen Fall letztmalige Olympia- und Weltmeisterschaftssiegerin und last but not least Tochter Kopek Spasova mitgebracht hat.« Die Kamera fuhr von den Erwachsenenköpfen hinunter auf ihre Bäuche, um Kopek Spasova ins Bild zu bekommen, ein dünnes, blondes hohlwangiges Mädchen mit enormen schwarzen Augenringen.
Clarice kam mit einem Schwung Masken, Pappkulissen und persönlichen Requisiten ins Wohnzimmer zurück.
»Na ja, wenigstens sieht sie nicht gut aus«, sagte Alvin.
»Schh«, sagte Spatula.
»Ruble, Kopek, wie fühlt man sich, wenn man so viel Gold abgeräumt hat?«, fragte der Moderator.
»Wer ist dieser Mensch?«, fragte Ruble Spasov und schaute zu jemandem hinter oder neben der Kamera.
»Wenn man gewinnt, fühlt man sich gut«, sagte Kopek Spasova.
│b│
3. September
Monroe Fieldbinder, ein hoch gewachsener, erfolgreicher Immobilienanwalt mit einem schönen Rasen und einem trotz seiner einhundert Kilo durchtrainierten und darüber hinaus außerordentlich attraktiven Körper, kehrte eines Mittwochabends von seiner hinreißenden Mittwochsgeliebten nach Hause zurück und sah, dass sein Haus in Flammen stand und von blitzenden Blau- und Rotlichtern der Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehrbelagert wurde und dass sein Haus in Flammen stand und dass sein Vogel Richard Löwenherz, der mit im Haus wohnte, vermutlich in seinem Käfig ums Leben gekommen war.
Und während Monroe Fieldbinder sein Haus niederbrennen sah, spürte er, wie alles, was seinem Leben Halt und Ordnung gegeben hatte, zu Chaos und Unordnung zerschmolz. Er grinste schief.
Wie detailliert sollte der Brand beschrieben werden? Genügt die bloße Erwähnung oder brauchen wir ein richtiges Bild? »Grinste schief« wirkt in einem Bild natürlich am stärksten. Bilder bewirken etwas. Altes Prinzip: Zeig, was passiert, erwähne es nicht nur.
Können Bilder etwas erzählen? Ich habe ein Polaroidfoto, das zeigt Vance mit sieben und Veronica mit neunundzwanzig, wie sie über einen halb verrotteten Landungssteg in Nova Scotia auf ein Fischerboot steigen. Das Wasser ist eisengrau mit Flächen voller Gischt; der Himmel ist eisengrau, nur heller, und zeigt ebenfalls diese gischtigen Flächen; der Möwenschwarm vor Vance’ ausgestreckter Hand mit den Brotstücken ist eine weiße Wolke von niederschießenden V’s. Vance Vigorous, der seine kleine weiße Kinderhand ausstreckt, ist umgeben und verdeckt von einer Wolke lebender, atmender, kreischender, scheißender, herniederschießender Inkarnationen des Buchstabens V; und ich habe das Bild auf Qualitätsfilm gebannt, der mir das Recht und die Möglichkeit gibt, wann immer und wo immer ich will darüber zu weinen. Was sagt uns das über Bilder?
Hatte einen wahrhaft schrecklichen Traum letzte Nacht. Will eigentlich gar nicht darüber sprechen. Ich bin gerade aufgestanden. Uriniere. Ich schaue hinunter.
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