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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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niederbrennt. Oder vielmehr: MONROES Haus brennt nieder, womit symbolisiert wird: Zerstörung der gesamten Struktur seines eigenen Lebens und Einzug von Chaos und Orientierungslosigkeit in dasselbe etc.
    2. Monroe hat riesiges Geschlechtsteil, doch weibliche Bewunderung definiert und verschärft in ihm nur Gefühle von Ekel und Selbsthass.
    3. Monroe Fieldbinder geht zum Psychologen, um bestimmte Vorstellungen loszuwerden. Eine von Fieldbinders Vorstellungen besteht darin, dass sich moderne Partytänze nicht mit Selbstbewusstsein vertragen, Selbstbewusstsein im Sinne von Selbst-Bewusstsein, sondern im Gegenteil selbst bei Personen mit unausgeprägtem Selbst-Bewusstsein unweigerlich zu misslichen Situationen fuhren. (Offensichtliche Ursache: Amherst/Mt. Holyoke-Kennenlernparty ’68.) Der moderne Party-Tanz besteht einfach in schlangenähnlichen Bewegungen zu suggestiver Musik. Das Ganze ist lächerlich, doof anzugucken und für den Tänzer unheimlich peinlich. Es ist lächerlich, und trotzdem machen es alle, sodass sich derjenige, der sich nicht lächerlich machen will, sofort wie ein Ausgestoßener und also schlecht und also beobachtet fühlt ... kurz: lächerlich. Direkt aus Kafka: Der Mensch, der das Lächerliche nicht tun will, ist derjenige, der lächerlich ist. (Idee: Kafka bei Amherst/Mt. Holyoke-Kennenlernparty, wird natürlich nie direkt genannt, sondern immer nur als »F.K.«, der Einzige, der nicht tanzt ...) Moderner Party- Tanz als das Böse schlechthin.
    4. Monroe Fieldbinders Psychologe hat gleichen Automatikstuhl wie Pappnase Jay. Jay kommt in Fieldbinder-Collection gnadenlos schlecht weg. Konsequente Darstellung als Vollidiot.
│10│   1990
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    Ursache für das Spinnennetz von Lackkratzern auf der rechten Wagenseite war der große, böswillige braune Busch in der Einfahrt vor dem Eigenheim von Alvin und Clarice Spaniard in Cleveland Heights, der nämlich von spitzen Dornen nur so starrte. Der Busch hatte sich praktisch über die Hälfte der Einfahrt ausgebreitet und zerkratzte alles und jeden, der dort vorfuhr. »Skritsch« klang es, wenn die Dornen durch den Lack an der rechten Wagenseite gravierten, oder vielmehr »Skriiiiitsch«, ein Geräusch wie Fingernägel auf einer Aluminiumfläche, das die Nervenenden klingeln ließ.
    Die einzig weitere, irritierende Eigenart des Eigenheims der Spaniards bestand darin, dass der Knauf der Haustür genau in der Mitte angebracht war, nicht links oder rechts, wo Türknäufe normalerweise sind, sodass die Tür beim Öffnen, so schien es, nicht auf schwang wie üblich, sondern als Ganzes zurückwich. Außerdem roch es im Haus etwas seltsam, so, als sei in manchen Räumen unterm Teppich ein ungutes Wachstum im Gange.
    Doch im Großen und Ganzen war es ein sehr schönes Haus, mit einem Obergeschoss und einer riesigen Antenne, das Zuhause von Alvin Spaniard, Clarice Spaniard, Stonecipher Spaniard und Spatula Spaniard (Letztere benannt nach Ruth Spatula Spaniard, der Mutter von Alvin Spaniard).
    Alvin Spaniard, stellvertretender Leiter Werbung, Marktforschung und Produktimage bei Stonecipheco Baby Food Products, öffnete auf Lenores Klingeln die Tür, trat behände zur Seite, als die Tür als Ganzes auf ihn zukam, und bat Lenore hereinzukommen, wobei er zugleich seiner Frau Clarice und den Kindern zurief, dass Lenore da sei. Alvin bot Lenore sogleich einen Gin an.
    »Nein danke«, sagte Lenore. »Bei Gin muss ich immer husten.«
    Alvin Spaniard schätzte Gin ganz besonders. Lenore bat um ein Glas Mineralwasser mit Zitrone.
    »Aber du weißt schon, dass heute Familientheater ist?«, sagte Alvin auf dem Weg zum Wohnzimmer leise.
    »Das hat mir Clarice schon am Telefon gesagt. Aber ich muss trotzdem dringend mit ihr sprechen. Ich dachte, vielleicht in der Pause oder so.«
    Im Wohnzimmer, unter aztekischen Wandteppichen voller Sonnen und Vogelgottheiten mit extrem verdrehten Köpfen, spielten Stonecipher, fünf, und Spatula, vier, Rutsche-und-Leiter mit Clarice, sechsundzwanzig, die allerdings nur so tat als ob, während sie in Wirklichkeit, einen Gin Tonic in der Hand, eine Olympia-Zusammenfassung im Fernsehen sah, gewissermaßen als Einstimmung auf das Familientheater. Es war Viertel vor acht.
    »Kinder, guckt mal, wer da ist! Tante Lenore. Sicher spielt sie Rutsche-und-Leiter mit euch«, sagte Clarice. Sie zwinkerte Lenore zu.
    »Au ja«, sagte Lenore.
    Rutsche-und-Leiter war vielleicht das sadistischste Brettspiel, das jemals erfunden worden war.

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