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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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berufliches Weiterkommen ging; wozu solle sie es denn bringen in Wien, in diesem bornierten Männerverein; er hatte ihre Rolle als emanzipierte Frau gegen sie ausgespielt, um nicht zugeben zu müssen, dass er zu feige war, sich auf eine feste Beziehung einzulassen. Denn dass sie das wollte, war ihm klar. Und er? Kinder? Zwanzig Jahre war er jetzt Polizist; und dieser Gedanke kam ihm vor, als schlüge ihm jemand in einem Wiener Wirtshaus vor, frittierte Vogelspinnen zu probieren. Was? Jetzt gleich? Hier? Natürlich war dieses Bild noch irgendwo in seinem Kopf: er mit einer kleinen Tochter auf dem Schoß, im Garten, auf einer Holzbank an der Hausmauer sitzend, den rechten Arm um sie gelegt, die linke Hand an der Stirn zum Schutz vor der Sonne, ui, lag da gar noch ein Hund neben ihnen? Doch dieses Bild war auf altem Fotokarton, mit dem typischen Sepiaton der Verklärung, archaisch und schwer in die Wirklichkeit zu holen, wo das Böse Tag für Tag in echten Farben über die Bildschirme lief. Wie sollte er das ertragen, sein eigenes Kind in dieser Welt zu wissen; doch er wollte Isabelle nicht verlieren, auf keinen Fall; morgen würde er sie anrufen, irgendwie würden sie das schon hinkriegen, bestimmt. Er zerrieb das Blatt zwischen seinen Fingern und roch daran. Basilikum, eindeutig. Er lächelte. Wie er sich im Augenblick fühlte … Glück wollte er dazu nicht sagen. Aber wie sonst sollte man es denn nennen.

3.
    Es war die Amsel, nicht der Wecker. Dennoch stand Schäfer gleich nach dem Erwachen auf – so konnte er den Tag mit einem langen Frühstück auf dem Balkon beginnen und in aller Ruhe mit Isabelle telefonieren. Er ging ins Bad, rasierte sich, duschte. Mit einem Handtuch um die Hüfte und der Zahnbürste im Mund stellte er sich auf die Waage. Drecksding, hämisches Mistvieh, fluchte er leise, putzte seine Zähne fertig und ging in die Küche, um aus den Einkäufen vom Vortag ein ausgiebiges Morgenmahl zu bereiten.
    Nach einem Joghurt mit frischen Erdbeeren, einer Schinkensemmel, einer Marmeladesemmel und einem weichen Ei setzte er sich mit einer Tasse Tee in den Liegestuhl und nahm das Telefon zur Hand. Den Daumen schon auf der Kurzwahltaste, sah er die Zeit: nicht einmal halb sechs – das konnte er nicht bringen. Sah er eben dem glühend roten Sonnenball zu, wie der sich, unbeirrbar und ganz der souveräne Himmelsriese, der er war, über den Horizont schob und an die Arbeit machte. Nicht schlecht für dein Alter, grüßte Schäfer das Gestirn mit erhobener Teetasse, gab sich noch ein paar Minuten den Strahlen hin und holte dann seinen Laptop aus dem Wohnzimmer. Mal sehen, ob Borns Geist schon in der virtuellen Welt angekommen war. Nachdem Schäfer dessen vollen Namen in eine Suchmaschine eingegeben hatte, bestätigten die ersten beiden Ergebnisse seine Vermutung: Zwei Tageszeitungen brachten die Geschichte als großen Aufhänger auf der Startseite. Der Verräter ist immer der Gärtner, kam es Schäfer in den Sinn, als er sich durch die Bildergalerie klickte. Zuerst ein Porträt des Opfers, dann gleich ein Foto, das einen der Forensiker beim Verlassen der Villa zeigte – um die Gasmaske in seiner linken Hand hatten die Bildbearbeiter einen roten Kreis gezogen. Dass Born vielleicht ganz unspektakulär seinen Kopf in den Gasherd gesteckt haben könnte, kam in den Mutmaßungen des Reporters nicht vor. Hier wurde gleich über Viren und biochemische Kampfstoffe spekuliert. Gut, Schäfer wusste, dass die Zeitspanne zwischen einem unübersehbaren Auftreten der Polizei und einer entsprechenden Pressemeldung die Boulevardmedien und ihre Leser ungleich mehr erregte als Tatsachen – die geile Kluft zwischen Fiktion und Fakten. Was Schäfer tatsächlich überraschte, war, dass sein Handy noch kein einziges Mal geläutet hatte. An der Uhrzeit konnte es nicht liegen. Bei den zahlreichen Gefallen, die er ein paar Journalisten schuldig war, hätte er sich über einen Anruf um halb sieben nicht einmal ärgern dürfen. Am besten, er blockierte rechtzeitig aktiv die Leitung.
    „Guten Morgen … Natürlich … Ich auch gerade … Die haben keine Semmeln? … Soll ich dir welche schicken? … Auch wieder wahr … Wie geht’s dir? … Das verstehe ich … Na ja, ich bin schon lange nicht mehr umgezogen … Einen alten Baum … Das war ein Scherz, ich fühle mich gut, bis auf … Ja, hab ich … Bis gestern noch ruhig … Hermann Born … Genau der … Dem hat einer Phosphorsäure über den Kopf gegossen … Wenn ich das wüsste,

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