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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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Kopfschüttelnd leerte er die Tasse in die Spüle, wusch sie aus und korrigierte seinen Fehler.
    Als Bergmann von der Pressekonferenz zurückkam, fand er seinen Vorgesetzten regungslos auf den Bildschirmschoner starrend vor.
    „Irgendwas nicht in Ordnung?“
    „Kann man wohl sagen“, antwortete Schäfer abwesend. „Mit diesen Typen ist wirklich was nicht in Ordnung …“
    „Ich kann Ihnen nicht folgen …“
    „Männer, die Frauen mit Säure übergießen … das scheint bei den islamischen Spinnern fast so üblich zu sein wie bei uns der prügelnde Ehemann … die Fotos dieser Frauen möchten Sie gar nicht sehen … ich meine, wenn ein Psychopath mit Frauenhass so was tut …“
    „Was anderes sind die nicht … Psychopathen …“
    „Ja, schon … aber was für kranke Moralvorstellungen sind das …“ Schäfer rieb sich mit geschlossenen Augen die Nasenwurzel. „Da möchte man sich ja fast für das Afghanistan-Corps melden … Taliban abschießen …“
    „Haben Sie auch was gefunden, das uns bei Born weiterhelfen könnte?“, bemühte sich Bergmann, Schäfers Negativspirale zu durchbrechen.
    „Nicht wirklich … aber bei etwa fünfzig Säureangriffen auf Menschen, die ich durchgesehen habe, bin ich nur auf eine Täterin gestoßen … zumindest statistisch dürfen wir also davon ausgehen, dass wir es mit einem Mann zu tun haben “ Schäfer klopfte auf die Space-Taste und schloss das Internetprogramm. „Was war bei der PK los?“
    „Viel für einen Mord, aber wenig für so einen …“
    „Die Leute sind so abgebrüht … vor zehn Jahren hätten wir bei so einem Verbrechen ein eigenes Callcenter einrichten müssen … und heute … andererseits können wir uns so besser auf die Arbeit konzentrieren … wenn uns nicht an jeder Ecke ein Reporter auflauert …“
    „Das ist mir überhaupt noch nie passiert“, meinte Bergmann fast bedauernd.
    „Ach, das kommt schon noch … jetzt, wo Sie im Rampenlicht stehen … gehen Sie mit was essen?“
    „Ja … in der Kantine gibt’s Dinkellasagne …“
    „Brave new world“, meinte Schäfer und nahm sein Jackett vom Haken.
    Während sie mit zwei Kollegen vom Dezernat für organisierte Kriminalität beim Essen saßen, besprachen sie den weiteren Tagesablauf. Bergmann hatte im Büro genug zu tun, also würde Schäfer die Befragungen allein durchführen. Kovacs war beschäftigt, die würde sich Schäfer spätestens am nächsten Tag vornehmen. Was Leitner betraf, bat er seinen Assistenten, ein Auge auf ihn zu haben. Er war mit Eifer bei der Sache, keine Frage, aber noch nicht wirklich erfahren in Mordermittlungen. Und Schreyer war sowieso ein eigenes Kapitel. Warum Schäfer ihn protegierte, war allen im Team ein Rätsel, mitunter auch ihm selbst. Dass er einen Narren an ihm gefressen hatte, traf es wohl am besten. In mancher Hinsicht war der junge Inspektor einfach nicht zurechnungsfähig; die ihn gar nicht mochten, bezeichneten ihn gar als grenzdebil. Doch Schäfer war anderer Ansicht: Er nahm bei Schreyer eher eine milde und praktische Form des Autismus wahr. Wenn er ihn etwa ins Archiv schickte, um alte Akten zu durchforsten, konnte er sich darauf verlassen, dass Schreyer kein Name, kein Datum, kein Kennzeichen, einfach gar nichts entging. Außerdem war Schäfer der Meinung, dass sein Team wie eine Theatergruppe funktionierte. Darin war Schreyer zweifelsohne die Idealbesetzung in der Rolle des Dezernattölpels; und wenn er ihn versetzen ließ oder gar kündigte, würde möglicherweise ein Idiot nachrücken, der wirklichen Schaden anrichtete.
    Nach dem Essen ging Schäfer noch einmal ins Büro, um seine Dienstwaffe zu holen. Dass er sie brauchen würde, glaubte er nicht – aber das Gefühl der Nacktheit, das er ohne sie hatte, behagte ihm noch weniger als das zusätzliche Gewicht und die Schweißränder unter dem Lederriemen. Auf dem Weg in die Tiefgarage überlegte er, mit dem Rad in den neunzehnten Bezirk zu fahren. Das waren gut zehn Kilometer. Sein Anzug wäre verschwitzt, er würde keinen allzu seriösen Eindruck machen. Leicht verstimmt öffnete er die Tür des Dienstautos, rückte den Fahrersitz zurecht und startete den Motor. Eine halbe Stunde später stellte er den Wagen in der Nähe von Borns Haus ab, ging noch einmal die Liste der zu befragenden Nachbarn durch und machte sich auf den Weg. Wie oft hatte er schon in den Villen von Wiens reichsten Menschen zu tun gehabt; und immer noch fühlte er sich seltsam beklommen, wenn er an den mächtigen

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