Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
Vom Netzwerk:
Bergmann, als sie zum Auto gingen. „Sie hat das Messer genommen, mit dem sich ihr Vater zuvor die Jause zubereitet hat. Um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, greift sie es nur mit einem Taschentuch an, auf dem Fettreste des Hähnchens und ihre Handcreme zurückbleiben …“
    „Wir schicken heute noch einmal die Spurensicherung hin … als ich gestern dort war, habe ich eine kleine Delle in der Wand gesehen, wo die Farbe brüchig war. Wenn diese Stelle auf der gleichen Höhe des Einstichs ist, sind wir einen Schritt weiter … dann hat sie das Messer zwischen sich und die Wand … Scheiße …“
    „Wir haben nicht daran gedacht, weil man sich so etwas nicht vorstellen darf“, sagte Bergmann, während sie am Gürtel im Stau steckten. „Dass sich ein junges Mädchen das Leben nimmt, ja … aber so …“
    „Wahrscheinlich wollte sie doch nicht ganz umsonst sterben.“ Schäfer schaltete das Blaulicht ein.
    Am nächsten Tag bekamen sie die Ergebnisse der Forensik. Nach der neuen Beweislage sprach alles dafür, dass sich Dana Cüyük das Leben genommen hatte. Die kleine Einkerbung in der Wand war exakt auf der gleichen Höhe wie die tödliche Stichwunde in der Brust. Dazu die Probierstiche, die bei einem Suizid mit scharfen Gegenständen so gut wie jedes Mal vorzufinden waren. Und der Umstand, dass das Mädchen bis auf einen BH oben nackt war. Zwar konnten nur die wenigsten mit Schäfers Theorie etwas anfangen, dass der Vater seine Tochter nie so liegen gelassen und den Augen fremder Polizisten ausgesetzt hätte, doch wer sich selbst ersticht, tut das so gut wie nie durch seine Kleidung hindurch, sondern immer mit dem Messer auf der bloßen Haut.
    Kamp und Bruckner hatten nichts dagegen, mit der Weitergabe des neuen Berichts an den Staatsanwalt noch eine Weile zuzuwarten, bis sich Danas Freund eventuell meldete. Sie konnten auf seine Aussage auch verzichten; aber Schäfer hatte das Gefühl, dass er den Jungen damit hinterginge. Ohne seine Einsicht und die Preisgabe der Wahrheit würde ihm gar nichts mehr bleiben, keine Freundin, keine Rache. Zudem sah er den Vater des toten Mädchens ganz gerne noch eine Weile in Haft. Seine Tochter hatte er nicht erstochen, aber unschuldig war er auch nicht.
    Bevor er das Kommissariat verließ, rief er eine Bekannte bei der Jugendfürsorge an. Er schilderte ihr den Fall und bat sie, ein Auge auf die Familie zu haben; dem Vater klarzumachen, dass die geringste Gewaltanwendung, dass nur ein Verdacht zu einer Ermittlung führen würde, und er brauche nicht zu glauben, dass sich die Manieren der verantwortlichen Polizisten seit dem letzten Mal gebessert hätten.
    Am nächsten Tag erschien der Junge von sich aus auf dem Kommissariat, um mit Schäfer zu sprechen. Fast zwei Stunden saßen sie im Besprechungsraum. Zuerst redeten sie über Danas Tod. Ja, sie hatte darüber gesprochen, sich zu töten. Und sie wollte es tatsächlich so machen, dass ihr Vater dafür büßen müsste. Einmal hatten sie sogar überlegt, es zusammen zu tun. Hand in Hand vom Donauturm zu springen. Oder wie bei „Thelma und Louise“ mit dem Auto über eine Felsklippe zu fahren. Aber für ihn war das doch eher etwas gewesen, mit dem sie ihre Verzweiflung teilten und sich in ihrer Liebe bestärkten. Richtig tot sein wollte er nie.
    Dann redeten sie darüber, was der Junge später machen wolle, über den Beruf des Polizisten, über die Unsicherheit der Jugend, über die scheinbare Verständnislosigkeit der Alten, die doch ebenfalls nur unsicher waren.
    Als der Junge ging, glaubte Schäfer, ihm wenigstens etwas Hoffnung mitgegeben zu haben. Mehr konnte er nicht tun.

38.
    Mitte August breitete sich eine Tiefdruckfront über dem Land aus, die laut Aussagen der Meteorologen über eine Woche für Regen und herbstliche Temperaturen sorgen würde. Schäfer nahm es – im Gegensatz zu vielen anderen – gelassen zur Kenntnis. Es war lange genug heiß gewesen, ein bisschen Abkühlung würde den Menschen nur guttun. In der letzten Augustwoche würde er Isabelle in Den Haag besuchen. Dass sie jetzt schon eifrig dabei war, das Programm für die ganze Woche zu erstellen, machte ihn etwas unruhig; immerhin würde ihm die voraussichtliche Ochsentour durch Museen, Restaurants, Geschäfte, Kirchen und allerlei mehr keine Gelegenheit lassen, an die Arbeit zu denken. Wenn nicht zufällig ein Kriegsverbrecher aus dem Strafgerichtshof ausbrach, gab Bergmann zu Bedenken. Er sei nicht Columbo, erwiderte Schäfer, in einer fremden

Weitere Kostenlose Bücher