Der beste Karlsson der Welt
auf dem Dach gewesen und hatten sich Karlssons Haus angesehen. Sie waren vom Hausboden durch die Dachluke geklettert, die der Schornsteinfeger benutzte, und Lillebror hatte ihnen gezeigt, wie pfiffig Karlssons Haus hinter dem Schornstein und dicht an der Brandmauer des Nachbarhauses versteckt lag.
Mama war ganz entsetzt gewesen, als sie aufs Dach kam und die Straße tief dort unten liegen sah. Sie wäre beinahe in Ohnmacht gefallen und mußte sich am Schornstein festhalten.
«Lillebror, versprichst du mir, daß du niemals allein hier heraufgehst?» sagte sie.
Lillebror überlegte erst, bevor er versprach.
«Ja», sagte er schließlich, «ich gehe niemals allein hier herauf. Aber vielleicht fliege ich manchmal mit Karlsson hierher», sagte er dann ganz leise. Wenn Mama es nicht gehört hatte, so hatte sie sich das wahrhaftig selber zuzuschreiben. Wie konnte sie übrigens verlangen, daß Lillebror niemals Karlsson besuchte? Sie hatte bestimmt keine Ahnung, wie schön es in Karlssons kleinem ulkigen Zimmer sein konnte, wo es so viel Krimskrams gab. Nun aber würde natürlich alles zu Ende sein, dachte Lillebror erbittert, und bloß wegen dieser dummen Zeitungsschreibereien.
«Du mußt Karlsson Bescheid sagen, daß er sich vorsieht», sagte Papa. «Er darf in der nächsten Zeit nicht so oft herumfliegen. Ihr könnt ja in deinem Zimmer zusammen sein, wo ihn keiner sieht.»
«Wenn Karlsson aber zu sehr tobt, dann setze ich ihn an die Luft», sagte Mama.
Sie stellte einen Teller Grütze vor Lillebror auf den Küchentisch, und Bimbo bekam auch ein bißchen in seinen Freßnapf. Papa sagte auf Wiedersehen und ging ins Büro. Und Mama wollte auch in die Stadt.
«Ich gehe nur schnell mal ins Reisebüro und erkundige mich, ob sie nicht irgendeine hübsche Reise für uns haben, jetzt, wo Papa Urlaub bekommt», sagte sie und gab Lillebror einen Kuß. «Ich bin bald wieder da.»
Lillebror blieb allein. Allein mit Bimbo und mit seiner Grütze und mit seinen Gedanken. Und mit der Zeitung. Die hatte er neben sich gelegt und warf ab und zu einen kurzen Blick darauf. Unter dem Artikel über Karlsson sah man ein wunderschönes Bild von einem großen weißen Dampfer, der zu Besuch nach Stockholm gekommen war und im Hafen vor Anker lag. Lillebror schaute ihn sich an. Oh, wie war der doch schön! Lillebror hätte so ein Schiff gar zu gern einmal in Wirklichkeit gesehen und wäre damit übers Meer gefahren! Er versuchte, nur immer den Dampfer anzusehen, aber seine Augen blieben die ganze Zeit an dieser greulichen Spalte hängen:
FLIEGENDE TONNE — ODER WAS?
Lillebror war richtig in Sorge. Er mußte so rasch wie möglich mit Karlsson reden. Andererseits durfte er ihm keine allzugroße Furcht einjagen, nein, denn wer weiß, am Ende bekam er solche Angst, daß er auf und davonflog und niemals wiederkam !
Lillebror seufzte. Dann steckte er sich widerwillig einen Löffel Grütze in den Mund. Er schluckte sie nicht herunter, sondern ließ sie auf der Zunge liegen, wie um zu kosten. Lillebror war so ein kleiner dünner Junge mit schlechtem Appetit, wie es so viele gab. Er stocherte bei Tisch immer in seinem Essen herum, und es dauerte eine Ewigkeit, bis er fertig war.
Grütze war nicht so unbedingt was Gutes, dachte Lillebror. Vielleicht würde sie ein bißchen besser werden, wenn er noch mehr Zucker darüberstreute. Er griff nach der Zuckerschale, aber im selben Augenblick hörte er vor dem Küchenfenster Motorengebrumm, und wupps, kam Karlsson hereingeflogen.
«Heißa hopsa, Lillebror», rief er, «rate mal, wer der Beste Freund der Welt ist, und rate mal, weshalb er gerade jetzt kommt?»
Lillebror schluckte hastig herunter, was er im Munde hatte.
«Der Beste Freund der Welt, das bist du, Karlsson! Aber weshalb kommst du gerade jetzt?»
«Dreimal darfst du raten», erwiderte Karlsson. «Weil ich Sehnsucht nach dir hatte, du kleiner dummer Junge, oder weil ich mich bloß verflogen habe und eigentlich mal kurz um den Königlichen Garten fliegen wollte oder weil ich merkte, daß es nach Grütze roch? Rate nun mal!»
Lillebrors Gesicht leuchtete auf vor Freude.
«Weil du Sehnsucht nach mir gehabt hast», schlug er schüchtern vor.
«Falsch», sagte Karlsson. «Und zum Königlichen Garten wollte ich auch nicht, das brauchst du erst gar nicht zu raten.»
Zum Königlichen Garten, dachte Lillebror, o weh, dorthin durfte Karlsson auf keinen Fall fliegen und auch sonst nirgendwohin, wo es von Menschen wimmelte, die ihn sehen
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