Der beste Karlsson der Welt
teilen. Ich nehme den Pfirsich und du die Tüte, dann kriegst du das Beste, denn mit einer Tüte kann man den größten Spaß haben.»
«Ach nein, danke», sagte Lillebror. «Wir teilen den Pfirsich, du kannst dann ruhig die Tüte kriegen.»
Karlsson schüttelte ungehalten den Kopf.
«Noch nie hab’ ich einen so habgierigen kleinen Jungen erlebt», sagte er. «Na ja, wie du willst!»
Man brauchte ein Messer, um den Pfirsich durchzuschneiden, und Lillebror rannte in die Küche, um eines zu holen. Als er damit zurückkam, war Karlsson nicht zu sehen. Aber dann entdeckte Lillebror ihn unter dem Tisch, von wo ein eifriges Schlürfen zu hören war, so, als ob jemand in rasender Eile einen saftigen Pfirsich verschlingt.
«Du, hör mal, was machst du da eigentlich?» fragte Lillebror aufgeregt.
«Ich teile», entgegnete Karlsson. Man hörte noch ein kurzes Lutschen, und dann kroch Karlsson hervor. Der Pfirsichsaft lief ihm am Kinn herunter. Er streckte Lillebror eine kurze dicke Hand entgegen und reichte ihm einen schrumpeligen braunen Pfirsichkern.
«Ich möchte immer, daß du das Beste kriegst», sagte er. «Wenn du diesen Kern einpflanzt, dann kriegst du einen ganzen Pfirsichbaum, proppenvoll mit Pfirsichen. Gib zu, daß ich der Netteste der Welt bin, weil ich keinen Zank mache, obwohl ich nur einen einzigen kleinen, elenden Pfirsich bekommen habe.»
Bevor Lillebror noch irgend etwas zugeben konnte, war Karlsson ans Fenster gestürzt, wo in einem Blumentopf eine rosa blühende Geranie stand.
«Und nett, wie ich bin, helfe ich dir nun auch, ihn einzupflanzen», sagte er.
«Halt!» schrie Lillebror. Aber es war zu spät. Karlsson hatte die Geranie bereits aus dem Blumentopf herausgerissen, und bevor Lillebror ihn daran hindern konnte, hatte er die Pflanze zum Fenster hinausgeschleudert.
«Du bist ja nicht bei Trost!» rief Lillebror, aber Karlsson hörte nicht auf ihn.
«Ein ganzer großer Pfirsichbaum! Stell dir das mal vor! Zu deinem fünfzigsten Geburtstag kannst du so viele Leute wie du willst zum Schmaus einladen, und es gibt einen Pfirsich als Nachtisch. Ist das nicht prima?»
«Doch, aber es ist nicht so prima, wenn Mama sieht, daß du ihre Geranie rausgerissen hast», sagte Lillebror. «Und denk mal, wenn nun irgend ’n Mann unten auf der Straße die an den Kopf gekriegt hat, was meinst du wohl, was der dann sagt?»
«Danke, lieber Karlsson, sagt der», versicherte Karlsson. «Danke, lieber Karlsson, daß du die Geranie herausgerissen hast und sie nicht mit dem Blumentopf zusammen runtergeschmissen hast — wie es nach Ansicht von Lillebrors komischer Mama besser gewesen wäre.»
«Das ist wohl kaum ihre Ansicht», widersprach Lillebror. «Was meinst du damit?»
Karlsson steckte den Kern in den Blumentopf und scharrte energisch Erde darüber.
«Doch, doch, das ist ihre Ansicht», versicherte er. «Wenn nur die Geranie im Topf festsitzt, dann ist sie zufrieden, deine Mama. Daß es für die Männer unten auf der Straße lebensgefährlich ist, das ist ihr ganz schnuppe. Ein Mann mehr oder weniger, das stört keinen großen Geist, sagt sie, wenn nur keiner meine Geranie rausreißt.»
Er sah Lillebror scharf an.
«Wenn ich nun aber den Blumentopf auch runtergeschmissen hätte, wo hätten wir dann den Pfirsichbaum einpflanzen sollen? Was hast du gedacht?»
Lillebror hatte überhaupt nichts gedacht, und er konnte keine Antwort geben. Es war schwierig, sich mit Karlsson zu einigen, wenn Karlsson in dieser Stimmung war. Aber zum Glück schwenkte er ungefähr jede Viertelstunde um; und nun ließ er plötzlich ein zufriedenes Glucksen hören.
«Die Tüte haben wir noch», sagte er. «Mit Tüten kann man einen Mordsspaß haben.»
Das war Lillebror neu.
«Wieso denn?» fragte er erstaunt. «Was kann man denn mit einer Tüte anstellen?»
Karlssons Augen begannen zu funkeln.
«Den kolossalsten Platsch der Welt», sagte er. «Hoho, und was für einen Platsch! Und genau den werde ich jetzt gleich machen!»
Er ergriff die Tüte und verschwand damit im Badezimmer. Lillebror ging neugierig hinterher. Er wollte gern wissen, wie man den kolossalsten Platsch der Welt machte.
Karlsson stand über die Badewanne gebeugt und ließ Wasser aus dem Hahn in die Tüte laufen.
«Du bist nicht bei Trost», sagte Lillebror. «Man kann doch nicht Wasser in eine Papiertüte gießen! Was denkst du denn!»
«Und was ist das hier?» fragte Karlsson und hielt Lillebror die Tüte, die gleich platzen mußte, unter die Nase.
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