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Der beste Tag meines Lebens

Der beste Tag meines Lebens

Titel: Der beste Tag meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ashley Miller , Zack Stentz
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diese im Umgang mit anderen Menschen unbeholfenen Jungen und Mädchen waren jeweils auf ein Thema fixiert und konnten darüber äußerst detailliert und leidenschaftlich sprechen. Während sich die Autismusforschung in den USA damals hauptsächlich den Behinderungen solcher Patienten widmete, legte Asperger sein Hauptaugenmerk auf ihre besonderen Begabungen und ihr Potenzial, als Erwachsene Großes zum Wohl der Gesellschaft zu leisten. Er schrieb über sie, dass sie ihre Aufgabe gut erfüllten, vielleicht sogar besser, als das irgendjemand sonst könnte; und dabei handelte es sich um Menschen, die als Kinder massivste Schwierigkeiten hatten und ihren Betreuern unsäglich viel Sorge bereiteten.
    Erst später kam man dahinter, dass Asperger noch ein weiteres Motiv dafür hatte, eher die Talente seiner Patienten hervorzuheben als ihre Defizite: Er versuchte auf diese Weise, ihnen das Leben zu retten. Er blieb zwar stets bei den Tatsachen, doch es gelang ihm, diese so geschickt darzustellen, dass er den nationalsozialistischen Behörden in Wien klarmachen konnte, dass seine Patienten es wirklich »wert« waren zu leben. Als Wissenschaftler fühlte Asperger sich der Wahrheit verpflichtet. Als Arzt verspürte er jedoch eine noch größere Verantwortung für das Leben der Kinder in seiner Obhut.
    Aus diesem Grund könnte ich zum Beispiel kein besonders guter Arzt werden, denn es fällt mir schwer, unter Druck Entscheidungen zu treffen. Insbesondere wenn diese weitreichende Folgen haben.
    ***
    Beim Abendessen an jenem Tag ging es im Haus der Fischers ungewöhnlich still zu.
    »Also, mein Großer. Ich habe heute einen Anruf von deiner Schuldirektorin bekommen«, sagte Mrs. Fischer gegen Ende und brach damit das Schweigen.
    Colin konnte sich ganz gut vorstellen, was Dr. Doran gesagt haben mochte, aber er entschied, dass es am besten wäre, erst einmal abzuwarten, was seine Mutter preisgeben würde. Er war zwar kein geübter Lügner, aber die Kunst des Schubladendenkens beherrschte Colin schon lange. Das war eine bewährte Ermittlungsmethode, die gute Ergebnisse erzielte.
    »Nachsitzen«, sagte seine Mutter nur. »An zwei Tagen hintereinander.«
    »Ja«, bestätigte Colin, als hätte sie nur eine Bemerkung über angemessene Schulkleidung oder Schulmaterial gemacht. Er nahm sich eine Stange Spargel und bog sie zu Untersuchungszwecken mit den Händen so weit, bis sich die beiden Enden berührten. »Ich mag Spargel«, sagte er. »Obwohl mir eine Sache daran nicht gefällt, und zwar, dass mein Pipi danach so komisch riecht.«
    »Hast du vor, uns zu erzählen, was passiert ist«, fragte Mr. Fischer, »oder willst du einfach nur so dasitzen und deinen Spargel aufessen?«
    Colin antwortete nicht. Falls das überhaupt möglich war, konzentrierte er sich noch stärker darauf, die Elastizität seines Gemüses zu testen. »Chemiker glauben, das komme daher, dass unsere Verdauung Schwefelbestandteile in Ammoniak umwandelt, aber man ist sich da noch nicht ganz sicher.«
    »Dr. Doran hat uns alles gesagt«, fuhr sein Vater fort und zeigte sich von Colins Ablenkungsversuch unbeeindruckt. »Sie meinte – Colin, sieh mich an –, sie meinte, du seist in eine Rauferei geraten. Dann hast du das Nachsitzen geschwänzt. Du hast sie angelogen, eine Mitteilung des Sekretariats gefälscht und Wayne dazu überredet, in die Schule zu kommen, obwohl ihm das klar verboten worden war. Herrgott noch mal, das LAPD musste einen Einsatzwagen zur West Valley High schicken!«
    Mrs. Fischer sah ihren Mann mit sehr ernster Miene an. »Das Salz, bitte«, sagte sie. Er reichte es ihr wortlos. »Danke«, sagte sie und salzte ihre Kartoffeln.
    Colin schnitt sich ein Stückchen Spargel ab, nahm einen Bissen und kaute sehr langsam. Dabei bemühte er sich, ein möglichst ausdrucksloses Gesicht zu machen.
    Sein Vater, der mit der Gabel über den Tisch hinweg auf ihn zeigte, gab sich in dieser Hinsicht keinerlei Mühe. Trotzdem war es schwer zu sagen, ob er WÜTEND oder BEEINDRUCKT war. Seine Miene veränderte sich dauernd, als wüsste er selbst nicht, wie er sich fühlen sollte. »In 48  Stunden hast du mehr Regeln gebrochen und Ärger verursacht als in deinen ganzen bisherigen 14  Jahren auf diesem Planeten.«
    Danny rutschte auf seinem Stuhl herum und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Genau!«, flüsterte er zu sich selbst, aber offensichtlich nicht leise genug. Es bedurfte nur eines bösen Blicks seiner Mutter, und sofort schwieg er und widmete

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