Der Bestseller
Autorenstall schon ziemlich voll...«
»Könnten Sie nicht noch einen übernehmen?«
»Aber ich wollte gerade sagen, daß Ihr Mann interessant klingt.«
»Das ist er auf jeden Fall — und ein guter Schriftsteller obendrein.«
»Ich werde mit ihm sprechen und sehen, was sich entwickelt.«
Während wir uns unterhielten, nutzte ich die Gelegenheit und musterte Herbert Poole, der unserem Gespräch höflich folgte. Ich schätzte ihn auf Anfang bis Mitte Dreißig und etwas unter eins fünfundachtzig. Er war schlank und hatte eines von jenen glatten, gutaussehenden Gesichtern, mit denen Fotomodelle ihr Geld verdienen und auf die ich gewöhnlich nicht weiter achte. Mir gefallen Gesichter, die schon etwas erlebt haben und denen man Erfahrungen ansieht. Pooles Stimme war tief und eher ernst. Er hatte einen leichten Virginia-Akzent, was ich angenehm fand.
»Es muß interessant sein, mit einem echten Polizisten zusammenzuarbeiten«, sagte er in einer kleinen Pause.
»Das stimmt«, antwortete ich, dachte dabei aber eher an Parker Foxcroft als an Joe Scanlons Buch.
»Ist es ein Roman?« fragte er.
»Ja, aber es geht nicht um Polizeiarbeit, wie man erwarten würde. Es ist ein Roman über einen Strafverteidiger, dessen Mandant des Mordes angeklagt ist — eine Art moderner Perry Mason.«
»Wie Kay Ihnen schon erzählt hat«, sagte er und verbeugte sich in ihre Richtung, »spiele ich mit dem Gedanken, einen Kriminalroman zu schreiben.«
»Ich wundere mich immer wieder, wie viele Unterhaltungsschriftsteller einen Krimi schreiben wollen«, sagte ich. »Wie viele Schriftsteller, wollte ich sagen. Was meinen Sie? Was macht die Faszination dieses Genres aus?«
»Ich glaube, es ist die Befriedigung, über etwas zu schreiben, das außerhalb der eigenen Person und des Egos liegt und jenseits ihrer gewöhnlichen und ungewöhnlichen Schwierigkeiten.« Es war Kay, die das sagte, und ich nickte zustimmend. »Im normalen Roman ist die Persönlichkeit von überragender Bedeutung, im Kriminalroman die Geschichte. Es wird immer eine Geschichte erzählt, meistens eine spannende. Sie muß einen Anfang, eine Mitte und einen Schluß haben — und am Ende ist das Verbrechen aufgeklärt und der Verbrecher gefangen. Quod erat demonstrandum. Alle sind zufrieden, der Leser ebenso wie der Autor.«
»Das heißt aber nicht, daß Persönlichkeit in einem Kriminalroman keine Rolle spielt«, sagte ich. »Denken Sie nur an Sherlock Holmes — was für eine literarische Persönlichkeit!«
»Ich frage mich«, sagte Poole, »ob schon einmal jemand einen Kriminalroman geschrieben hat, in dem das Verbrechen nicht aufgeklärt und der Verbrecher nicht gefangen wird.«
»Ja, das gibt es«, sagte ich, »und es gibt Krimis, in denen der Verbrecher ein sympathischer Mensch ist, eigentlich sogar ein Held. Patricia Highsmiths Ripley zum Beispiel. Oder Donald Westlakes Dortmunder. Aber in den meisten Fällen wäre das für den Leser wohl zu frustrierend. Damit meine ich auch mich selbst. Ich mag keine unaufgelösten Geschichten. Ich möchte, daß alles seine Ordnung hat.«
»Ich sage nicht, daß ich so einen Roman schreiben werde«, sagte Poole. »Wie die meisten Schriftsteller schreibe ich am liebsten über das, was ich kenne.«
»Im Fall Ihres aktuellen Bestsellers ist das Sex«, sagte ich.
Poole lächelte. »Ich würde es eher Liebe nennen, Mr. Barlow.«
»Bitte, nennen Sie mich Nick. Und selbstverständlich haben Sie recht: Liebe.«
Kay unterbrach uns. »Herbert hat eine Idee, die Ihnen sicher gefallen wird, Nick.«
»Lassen Sie hören.«
»Ich würde gerne einige Zeit in Ihrem Verlag verbringen«, sagte Poole, »und Ihnen und Ihren Mitarbeitern über die Schulter sehen. Ich möchte Joe Scanlon kennenlernen und mit ihm sprechen, und auch andere Krimiautoren, die vielleicht mal vorbeischauen. Und ich würde zu gerne wissen, wie Sie den Fall Jordan Walker geknackt haben.«
»Tja...«
»Ich verspreche, daß ich nicht im Weg sein oder mich in den normalen Geschäftsablauf einmischen werde. Wenn Sie mir sagen, ich solle verschwinden, werde ich verschwinden. Und ich werde mir Notizen machen und schreiben.«
Kay hatte sich geirrt: Diese Idee gefiel mir keineswegs. Ich mag Autoren — solange sie dort sind, wo sie hingehören. In meinem Verlag möchte ich sie nur haben, wenn es nötig ist.
»Tja...«, sagte ich und überlegte, wie ich meine Ablehnung diplomatisch formulieren könnte. »Im Augenblick...«
»Wäre es Ihnen nicht recht«, sagte
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