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Der Bestseller

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Titel: Der Bestseller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Carter
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sich allzu sehr zu beklagen. Mein Vater hat es jahrelang getan, aber um den guten Doktor Samuel Johnson ein weiteres Mal zu zitieren: Ich finde, jemand, der Manhattans überdrüssig ist, ist des Lebens überdrüssig. Verzeihen Sie mir, wenn ich mich anhöre wie Bartlett’s Zitatenschatz.
    Manchmal lasse ich mich von Oscar rausfahren, aber meistens nehme ich den Metropolitan North Train von der Grand Central Station, dieser gewaltigen Kathedrale der Reisenden. Zuvor kaufe ich mir eine New York Post, um zu sehen, was sich im Unterleib der Stadt tut. »Kopflose Leiche in Oben-ohne-Bar!« Diese wunderbare Schlagzeile ist schwer zu überbieten. Der Zug führt einen Barwagen, und meistens genehmige ich mir einen Drink für die Fahrt. Manchmal bin ich in Gesellschaft, manchmal fahre ich allein.
    Diesmal traf ich zu meiner Überraschung Harry Bunter im Zug. Er saß zusammengesunken auf einem Platz am Gang, einem von jenen Sitzen, die keine Kopfstütze haben, und sah ziemlich unglücklich aus. In der Hand hielt er einen Pappbecher mit etwas, das wie Scotch aussah.
    »Harry«, sagte ich. »Was machen Sie denn hier?«
    »Dasselbe wie Sie«, antwortete er. »Ich fahre mit dem Zug.«
    »Ich meine: Was führt Sie nach Connecticut?« Ich wußte, daß Harry und seine Frau Claire in der Jane Street in Greenwich Village wohnten.
    »Ich wohne jetzt in Stamford.«
    »Seit wann denn?«
    »Ach, seit ein paar Wochen.« Er rutschte unbehaglich hin und her. Anscheinend sehnte er sich nach einer Zigarette, doch Rauchen ist im Metro North natürlich völlig ausgeschlossen. Die Zeiten, da bestimmte Wagen den Gestank v on Armeelatrinen verbreiteten, sind Gott sei Dank vorbei, auch wenn ich gestehe, daß ich den Genuß einer guten Panatela manchmal vermisse.
    Ich sah ihn an, und die Frage war mir ins Gesicht geschrieben; er hatte in der ersten Person Singular gesprochen. Was war mit Claire?
    Er bemerkte meinen fragenden Blick und sagte: »Claire und ich haben uns getrennt.«
    »Tut mir leid, das zu hören, Harry. Wollen Sie darüber sprechen?«
    Er zuckte die Schultern. »Nein, eigentlich nicht.« Offenbar hatte er das Gefühl, er könnte mich damit gekränkt haben, denn er fügte schnell hinzu: »Ach, warum nicht? Sie sind immer ein guter Freund gewesen, Nick.«
    Ich kannte Harry Bunter seit über zehn Jahren, länger, als er für mich arbeitete. Ich hatte ihn William Morrow abgeworben, weil ich ihn in Frankfurt in Aktion gesehen hatte und wußte, was für ein hervorragender Geschäftsmann er war.
    »Wollen mal sehen, ob wir zwei freie Plätze finden«, sagte ich und ging durch den Gang zu den Türen am Ende des Wagens, vorbei an der bunten Mischung von Reisenden auf dem Heimweg: Einige lasen, andere schliefen, und wieder andere betrachteten mit ganz und gar ausdruckslosen Gesichtern die vorbeiziehende Landschaft. In den Gepäcknetzen lagen Taschen, ebenso im Gang und vor den Türen in der Mitte des Wagens — wie jeden Freitag zur Hauptverkehrszeit herrschten Gedränge und Durcheinander, und mitten hindurch schlängelte sich der Schaffner und sang sein vertrautes Mantra: »Die Fahrscheine, bitte, die Fahrscheine.«
    Kurz hinter Mount Vernon und mehrere Wagen weiter vorn fanden wir schließlich zwei freie Plätze nebeneinander. Harrys Becher war mittlerweile ziemlich leer, und ich war leicht erstaunt, als ich sah, daß er die Eiswürfel durchschüttelte, ein paar Minifläschchen aus der Tasche zog und den Becher wieder auffüllte.
    »Also, Harry, dann erzählen Sie mal.«
    Die intimen Beichten von Männern, die von ihren Frauen getrennt leben, klingen nur zu vertraut und sind meist mit abgegriffenen Phrasen und auffälligen Auslassungen gespickt. Harrys Leidensgeschichte machte keine Ausnahme, aber aus alter Freundschaft hatte ich Mitleid mit ihm. Ich verstehe sehr gut, was ein Mann durchmacht, der noch immer eine Frau liebt, die ihn nicht mehr liebt. Das war Harrys Misere, und sie wurde noch dadurch verschärft, daß seine Frau sich in einen anderen verliebt hatte.
    »Parker Foxcroft?« fragte ich.
    Harry schnaubte, setzte den Becher an und trank ihn aus. »Foxcroft war nur der letzte«, sagte er.
    »Sind Sie sicher?« Das Bild, das er von Claire zeichnete, erschien mir nicht glaubwürdig. Ich war nur ein halbes dutzendmal mit ihr zusammengetroffen, doch sie hatte immer den Eindruck einer offenen, geradlinigen Frau gemacht, zurückhaltend, aber nicht unfreundlich und gewiß nicht auf Abenteuer aus — jedenfalls nicht erkennbar. Ich kenne

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