Der Bestseller
Glückspilz sind, Mr. Barlow?«
>Ja, ein Mord und ein Überfall, und beides innerhalb von zwei Wochen. Was kommt als nächstes?<
»Danke jedenfalls, daß Sie gekommen sind«, sagte ich. »Ich fühle mich viel sicherer, wenn ich weiß, daß Sie Ihre Arbeit tun.«
Artie zog die Augenbrauen hoch, als glaubte er, ich wolle ‘hn auf den Arm nehmen.
»Nein, wirklich, im Ernst«, sagte ich und breitete die Hände aus. »Sehen Sie — keine Ironie.«
»Gute Nacht, Mr. Barlow«, sagte Buster. »Bis bald.«
Ich ging nach Hause, legte mich ins Bett und fiel in einen unruhigen Schlaf, in dem mir schlechte Träume und schauerliche Gedanken zusetzten.
Am nächsten Morgen wäre ich am liebsten im Bett geblieben und hätte an Schokoriegeln geknabbert und mir irgendwelche Game Shows angesehen, anstatt in den Verlag zu gehen, aber ich hatte ein Gefühl, als wäre ich begnadigt worden, als hätte man mir noch einmal eine Gelegenheit gegeben, eine Schuld einzulösen, und das gab mir die Energie, aufzustehen und mich an die Arbeit zu machen.
Wie gewöhnlich las ich die New York Times und die Daily News. Beide brachten eine kurze Meldung über den Einbruch in dem Gebäude, in dem sich der Verlag befindet, doch in keinem von beiden war ich erwähnt. Ich bezahle Georgia Nussbaum, meine Public-Relations-Referentin, nicht dafür, daß sie mich in die Zeitungen bringt, sondern dafür, daß sie mich nach Möglichkeit aus ihnen heraushält.
Im Vorzimmer winkte Hannah mich an ihren Tisch.
»Die Managerin vom Players Club hat angerufen.«
»Und?«
»Sie sagte, es sei ziemlich dringend.«
Evelyn Randall ist die Seele des Clubs und zugleich der Dynamo, der Antriebsmotor und die Kommunikationszentrale. Sie sorgt sich um das Wohl der Mitglieder wie eine Henne um ihre Küken.
Ich rief sie sogleich zurück. Randy, wie sie von den Mitgliedern genannt wird, ist stets beschäftigter als ich oder sonst ein Verlegerkollege, und manchmal ist es recht schwierig, sie telefonisch zu erreichen; darum tut man gut daran, ihre Anrufe nicht zu ignorieren.
»Was gibt es, Randy?«
»Fred Drew ist im Gefängnis, Mr. Barlow.«
»Was?«
»Er sitzt im Knast. Er soll Ihren Lektor ermordet haben — wie hieß der noch? Parker Foxcroft, nicht? Er bittet Sie, zu kommen und ihm zu helfen, wenn Sie können.«
»Du lieber Himmel! Fred Drew?«
»Er klang am Telefon nicht gerade glücklich.«
»Warum hat er nicht seinen Rechtsanwalt angerufen?«
»Ich glaube, er hat keinen.«
»Tja, ich werde sehen, was ich für ihn tun kann. Danke, daß Sie mich benachrichtigt haben, Randy.«
»Keine Ursache.«
Zwei Stunden und viele Formulare später saß ich Fred Drew, dem vielleicht größten Pechvogel unter Amerikas Dichtern, an einem Gefängnistisch gegenüber. Er war zu alt für den Yale Younger Series of Poets Award, zu eigenwillig für die Komitees von Pulitzerpreis und National Book Award, er war nicht schwul und weder Jude noch Feminist und blieb somit aus allen poetischen Kulten ausgeschlossen. Und jetzt saß er im Gefängnis und stand im Verdacht, einen Mord begangen zu haben. Eines jedenfalls stand für mich fest: Fred Drew war kein zweiter François Villon.
Ich hatte einen Metalldetektor passieren müssen, war durchsucht worden und hatte zahllose Fragen beantwortet. Ich hatte erklärt, ich sei Drews Verleger, was den Wärtern nicht viel zu sagen schien. Sie hätten es anscheinend lieber gesehen, wenn ich — Gott bewahre! — Drews Rechtsanwalt gewesen wäre. Schließlich fügte ich hinzu, daß Drew und ich entfernte Verwandte seien, Vettern zweiten Grades. Es wäre ja möglich; meiner Meinung nach ist jeder mit praktisch jedem verwandt. Endlich durfte ich, in Anwesenheit eines großen, kräftigen Gefängniswärters, der sich neben dem Tisch aufbaute, mit Drew sprechen.
»Ah«, sagte er mit trauriger Stimme, »>Der stattliche, feiste Buck Mulligan<, nehme ich an.«
>»Kinch<«, antwortete ich, »>du feiger Jesuit.< Happy Bloomsday.«
»Desgleichen, Bruder.«
Es war tatsächlich Bloomsday — der 16. Juni. An diesem Tag im Jahre 1904, versichern uns die Literaturwissenschaftler, traf James Joyce seine Nora Barnacle, und als er Ulysses, die Geschichte eines einzigen Tages in Dublin, schrieb, war dies der Tag, den er wählte. In der New Yorker Literaturszene wird er mit einer Marathonlesung des Romans im Symphony Space am oberen Broadway gefeiert. Es lesen Dutzende von Schauspielern, Schriftstellern und Leuten aus der Verlagsbranche, und die
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