Der Bierzauberer
machte ihm Freude. Die Brüder waren ein bunter Haufen. Manche waren als
Findelkinder vor der Tür gefunden worden, andere kamen aus gutem Hause, waren jedoch
nur Zweit- oder gar Drittgeborene. Einige wurden als Waisen aufgenommen, andere
wiederum aufgrund ihres hellwachen Verstandes.
Niklas
durfte nicht gleich vom ersten Tag an mit Thomas in der Brauerei arbeiten. Er wurde
zuerst einmal zwei Wochen lang zusammen mit drei anderen Anwärtern im Gästehaus
einquartiert. Während dieser Zeit wurden sie geprüft, ob ihre Motive, Absichten
und Zukunftspläne zum Mönch passten. Abt Kilian hatte Thomas einmal erzählt, wie
viele unglücklich verliebte Männer sich zum Kloster berufen fühlen würden, dies
jedoch immer nur für eine kurze Zeit.
»Sobald
der Weltschmerz vorbei ist, wollen sie wieder gehen. Deswegen akzeptieren wir grundsätzlich
keine Anwärter mit Liebeskummer mehr«, erzählte er Niklas später lachend weiter.
Nach zwei
Wochen zog Niklas um ins Novizenquartier. Dort blieb er zwei Monate unter Aufsicht
eines alten, grantigen Provinzenmeisters, der nicht nur entsetzlich aus dem Mund
stank, sondern auch immer eine Fahne säuerlichen Schweißes hinter sich herzog. Dieser
las mit ihm jeden Abend die Klosterregeln, bis er sie auswendig konnte. Er schätzte
diese Zeit nicht, wollte er doch an den Braukessel.
Die Vorfreude
darauf machte ihm vieles leichter.
Er war
froh, dass ihn der stinkende Bruder ansonsten in Ruhe ließ, hatte er immerhin von
anderen Anwärtern schon über unsittliche und widernatürliche Versuche älterer Brüder
gehört. Und trotz harter Strafen bis hin zum Auspeitschen gab es immer wieder Vorfälle.
Und eines
Tages waren auch diese zwei Monate um und Bruder Thomas holte ihn ab, um ihm sein
neues Reich zu zeigen.
Ab sofort
trug er eine Art Tunika aus Leinen oder Wolle, darüber einen Schulterumhang. Für
die Arbeit draußen gab es lange Mäntel aus haarigem Stoff mit Kapuze, die schützten
sowohl gegen Kälte als auch gegen Sonne. Weiterhin erhielt er zwei Hemden, Strümpfe,
Gamaschen und Pantoffeln und für den Winter ein Schaffell.
2
Vorbei war ab jetzt die Zeit , in der ein
Brautag ein außergewöhnliches Ereignis war. Die Brüder im Kloster waren durstig
und Bier war ihr hauptsächlicher Durstlöscher. Dreimal in der Woche wurde hier gebraut
und an den anderen Tagen musste Niklas sauber machen oder die Vorräte auffüllen.
Und als
wäre dies alles nicht genug, wurde er zudem regelmäßig zur Aushilfe zu anderen Brüdern
geschickt.
Unter
anderem erfuhr er etwas über die verschiedenen Zeiten für die Aussaat von Getreide.
Sein Vater hatte eigentlich Jahr für Jahr das gleiche Getreide angebaut und ein
Drittel des Ackers immer brach liegen lassen. Hier lernte er, dass es sowohl Sommergetreide
als auch Wintergetreide gab.
Im Frühjahr
säte man aus, was als Pferdefutter und zur Bierherstellung verwendet wurde: Hafer
und Gerste vor allem.
Und im
Herbst säten die Brüder Roggen und Weizen, das waren die ›Brotsorten‹.
Nebenbei
wurden kleinere Mengen Hirse und Emmer angebaut.
Die wenigen
Male, die er mit draußen auf den Feldern war, dachte Niklas an zu Hause und er wurde
etwas wehmütig. Aber das ging schnell vorbei.
Denn er
hatte es gut getroffen. Bruder Thomas war ein erfahrener Brauer und zudem ein gemütvoller,
demütiger Mensch. Er wurde selten wütend, sogar wenn Niklas einen groben Fehler
machte. Gleichzeitig zeigte er Niklas eine ganze Menge Tricks und Kniffe, auf die
er niemals von allein gekommen wäre.
Er kannte
verschiedene einfache Handgriffe, mit denen man über einen Hebel einen Bottich in
einen anderen ausleeren konnte, sodass es fast keine Arbeit war.
Er verwendete
mehr verschiedene Kräuter als seine Mutter und wusste auch besser über deren Wirkungen
Bescheid.
Zuweilen
zeigte er ihm einige Kräuter etwas genauer und sagte Sachen wie:
»Dies
wird Wermut genannt; wenn du es dem Bier beigibst, tötet es Würmer, vertreibt die
Verstopfung, stärkt den Magen und bekämpft Gelbsucht und Wassersucht. Und schlafen
kann man danach wie ein Bär im Winter.«
Thomas
zerrieb ein Stück einer Rispe zwischen seinen Fingern und ließ Niklas daran riechen
und schmecken. Der aromatische Geruch passte überhaupt nicht zu dem extrem bitteren
Geschmack. Der Wermut brannte Niklas auf der Zunge und er wandte sich schaudernd
ab.
Thomas
lachte und sagte:
»Im Bier
entfalten viele Kräuter ein anderes Aroma, als wenn du es direkt mit der Zunge schmeckst.
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