Der Bierzauberer
nächste
Kraut kam Niklas bekannt vor. Das starke und entfernt an Thymian erinnernde Aroma
liebte er, ebenso den leicht brennenden, süßlichen Geschmack.
»Majoran
kam aus dem fernen Indien und wir haben es von den Arabern bekommen. Mittlerweile
pflanzen wir es in unserem Gewürzgarten an. Das geben wir zum dritten Bottich.
Majoran vertreibt Schwindel und macht ein gutes Gedächtnis, außerdem hilft es bei
Beschwerden von Galle und Milz.«
Der vierte
Bottich wurde mit Schlehen versetzt, mit der Begründung, dass ein erfrischendes
Schlehenbier in der Hitze des Sommers den Durst am allerbesten lösche.
Niklas
konnte sich nicht vorstellen, wie der frische, zarte, mandelartige Duft der Schlehen
zu dem süßen Bier passen würde; auf der anderen Seite hatte Thomas bislang immer
recht behalten.
Aber bevor
er alle Kräuter dazugab, rief er Niklas hinzu und zeigte ihm ein Kraut, welches
dieser noch niemals gesehen hatte.
Es war
ein kleiner, grüner Zapfen, mit kleinen Blättern, die wie Dachziegel angeordnet
waren.
Bruder
Thomas erklärte, was es mit der Pflanze auf sich hatte:
»Diese
Pflanze hat mir letzten Monat einer unserer Händler mitgebracht. Ich glaube, es
ist die gleiche Pflanze, über deren Wirkungen vor einigen Jahren die berühmte Hildegard
von Bingen bereits geschrieben hat. Sie soll, wenn mitgekocht, eine beruhigende
Wirkung haben und bei vielen verschiedenen Leiden vortrefflich wirken. Riech nur
einmal an der Dolde.«
Niklas
roch und war zuerst erschrocken über die harsche, intensive Bittere, die dieser
Pflanze entströmte, Minuten später hatte er das Aroma noch in der Nase, empfand
es dann aber als angenehm.
»Hildegard
von Bingen nannte dieses Kraut Hoppho. Lass uns den fünften unserer Bottiche mit
diesem Hopphokraut versetzen. Wenn es Gutes bewirkt, dann werde ich mehr davon beschaffen.«
Alle Bottiche
wurden fertiggestellt und vergoren. Dann kamen sie in den auch um diese Jahreszeit
kühlen Keller. Zuerst waren die Mitbrüder von dem Getränk mit der neuen, seltsamen
Bittere nicht angetan. Aber Bruder Thomas hatte ihnen schon des Öfteren neue Rezepturen
mit Erfolg schmackhaft gemacht.
Nach einer
Weile tranken sie es genauso viel wie das Altbekannte. Der Sommer kam schneller
als erwartet und der Keller wärmte sich entsprechend rasch auf. Eines Tages stellte
Niklas fest, dass das erste Bier aus den fünf Bottichen verdorben war.
Das zweite
folgte gleich danach. Bruder Thomas gab bekannt, dass die Biersaison fürs Erste
beendet war und wies Niklas an, den Inhalt aller Bottiche wegzuschütten.
»Aber
ein Bottich ist noch nicht verdorben«, sagte er.
Bruder
Thomas wollte nichts hören und beharrte darauf, dass Niklas alles Bier wegschütten
sollte. Erst als Niklas seinen Einwand wiederholte, schauten sie beide genauer hin.
Ein Bottich war einwandfrei, kein Sauergeschmack, kein Belag obenauf. Bruder Thomas
war sichtlich verwirrt.
»Ich habe
keine Erklärung dafür. Außer, dass unser Herrgott uns etwas länger unser gutes Bier
gönnt. Welcher Bottich ist denn dieser?«
Niklas
schaute nach und sagte:
»Es ist
der mit dem Hopphokraut.«
3
Nach dieser interessanten
und ungewöhnlichen Entdeckung konnten beide Brauer den Herbst nur mehr mit Ungeduld
erwarten. In der Zwischenzeit brachte ein Händler weitere dieser Hopphopflanzen
zum Kloster mit. Als die Brauzeit im Spätsommer endlich losging, brauten die beiden
praktisch ausschließlich mit Hopfen, wie sie die Pflanze nannten.
Beinahe
alle der Mitbrüder wollten gar nichts anderes mehr trinken, und sie lobten neben
dem Geschmack des Hopfenbiers besonders dessen Bekömmlichkeit. Nicht, dass die bisherigen
Biere nicht bekömmlich gewesen wären, aber der Hopfen machte die Zugabe anderer
Kräuter und Wurzeln, die bisweilen seltsame Nebenwirkungen hervorgerufen hatten,
überflüssig.
Einige
wenige wünschten sich die althergebrachten Biere zurück, die einmal nach Lorbeer,
ein andermal dafür eigentümlich nach Kümmel geschmeckt hatten. Nicht so sehr wegen
des Geschmacks, sondern aus Furcht vor Veränderung.
»Wir sind
ein Ort der Aufbewahrung. Und dazu gehört unter anderem, dass wir nicht immer neue
Speisen und Getränke verkosten möchten. Lasst uns bitte beim Althergebrachten bleiben«,
sagte zum Beispiel der Prior Karlmann gerne.
Doch sogar
die ›Bewahrer‹ beugten sich bald der Mehrheit der Hopfen-Biertrinker.
Nur einmal
ermahnte Abt Kilian seine Brauer, nicht zu viel Bier auszuschenken, da einige Brüder
das morgendliche
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