Der Bierzauberer
war.
»Aber
glaube mir, draußen auf dem Land und in den Städten, sogar in anderen Klöstern,
geht es in der Fastenzeit nicht so ruhig zu wie bei uns. Der Erzbischof und Kurfürst
von Trier hat erst kürzlich verlautbaren lassen: ›Ist ein Priester so betrunken,
dass er die Psalmen nur noch lallt, soll er zwölf Tage von Brot und Wasser leben.
Ist ein Mönch so voll, dass er speit, soll er 30 Tage Buße tun. Ist ein Bischof
so besoffen, dass er in die Hostie kotzt, muss er 90 Tage büßen.‹ Dieser Spruch
hat schnell die Runde durch das ganze Reich gemacht. Und da ist etwas dran!«
In dieser Zeit geschah es
zum ersten Mal, dass Niklas einen Krug zu viel trank. Sie hatten den ganzen Tag
hart gearbeitet und am Ende einen Sud zur Gärung bereitgestellt. Erschöpft saßen
sie im Brauhaus. Niklas griff aus alter Gewohnheit, so alt eine Gewohnheit bei einem
Zwölfjährigen sein kann, nach einem Krug Bier und stürzte ihn in einem Zug herunter.
Gleich noch einen zweiten. Er hatte nur vergessen, dass das Bier viel stärker war
als das, was er normalerweise trank.
Innerhalb
von wenigen Minuten fing alles an, sich zu drehen, er konnte nicht mehr richtig
sprechen und sein Kopf schien zu explodieren. Bruder Thomas sah richtig besorgt
aus. Er brachte ihn sogleich in die Schlafkammer.
Am nächsten
Tag ging es Niklas nicht gut und noch einige Tage lang musste er mit Thomas’ mildem
Spott leben.
Der Winter war lang und kalt
und ideal zum Bierlagern. Es gab Eis in Hülle und Fülle und im Bierkeller des Klosters
wurde nicht ein Eimer Bier sauer.
Niklas
fühlte sich im Brauhaus wie zu Hause.
Dann kam
das erste Frühjahr. So langsam musste sich Niklas damit vertraut machen, dass nun
die problematische Zeit für die Brauer kam. Je wärmer der Sommer, desto schwieriger
wurde die Lagerung des Bieres. In einem normalen Haushalt war es kein Problem, kleinere
Mengen herzustellen und kühl zu lagern. Im Kloster wurden jedoch solche Mengen gefordert,
dass sich Niklas beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie sie dies im Sommer
bewerkstelligen sollten. Bruder Thomas war mit diesem Problem natürlich längst vertraut.
Es hatte
schon Jahre gegeben, da war das Bier so schnell sauer geworden, dass sein eigener
Ruf ernsthaft darunter gelitten hatte. Mittlerweile war er jedoch erfahren und angesehen
genug, dass er lieber gar keines als ein saueres Bier ausschenken ließ.
Als die
Tage wärmer wurden und eine neue Fastenzeit vor der Tür stand, wurde wieder mal
ein starkes Bier gebraut. Dieses Mal lag es nicht nur in der Fastenzeit begründet.
Es war schon lange bekannt, dass ein stärkeres Bier besser haltbar ist als dünnes.
Warum, das wusste niemand, dennoch wurde das Wissen genutzt, um die warme Jahreszeit
so gut als möglich zu überbrücken.
Bis in
den Juni hinein konnte das Bier manchmal reichen, dann gab es schlimmstenfalls drei
Monate ohne Bier. Dieses Mal wurden gleich fünf Bottiche hintereinander gebraut,
weil es vorläufig das letzte Bier war und noch vergären sollte, bevor es zu warm
wurde.
Bruder
Thomas mischte für jeden der fünf Bottiche eine andere Kräutermischung zurecht.
Auch er wollte manchmal etwas Neues ausprobieren.
»Hier,
riech einmal daran!«, forderte er Niklas auf.
Niklas
öffnete das Säcklein, das er ihm hinhielt, und nahm ein paar Kräuter heraus. Sie
hatten einen sehr intensiven, aromatischen Geruch und einen harzigen, leicht bitteren
Geschmack, der ihn an Weihrauch erinnerte.
»Wieso
tust du Weihrauchkraut ins Bier?«, fragte Niklas erstaunt.
»Es riecht
nur so ähnlich wie unser Weihrauch, ist aber tatsächlich nur einfacher Rosmarin«,
erwiderte Thomas. »In den ersten Bottich hängen wir ein Säcklein davon. Ein Bier,
damit versetzt, stärkt Herz und Hirn, erquickt die Lebensgeister. Ich habe festgestellt,
dass viele unserer Brüder, wenn sie melancholisch werden, nach einem Trunk Rosmarinbier
schnell wieder voller Tatendrang sind.«
Niklas
roch an den Zutaten für den nächsten Sud.
Eigentümlich
und kampferartig, zugleich blumig, konnte er sich nicht entscheiden, ob er diesen
Geruch mochte oder nicht.
»Den zweiten
Bottich versetzen wir mit Lavendel, dieser wird anders auch Schwindelkraut genannt.
Diese Pflanze kennst du wahrscheinlich nicht, sie kommt aus dem fernen Andalusien
zu uns. Sie stärkt das Haupt, das Mark im Rücken und die Nieren. Es ergibt ein köstliches
Bier und beugt vor gegen Schlag, Gicht und Lähmungen. Es beruhigt und fördert den
Schlaf.«
Das
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