Der Bierzauberer
höllisch weh.
Niklas tat einen leisen Schrei und war mit einem Schlag hellwach. Er drehte sich
auf seinem Bett herum – seine Schlafstelle ›Bett‹ zu nennen war schmeichelhaft –
und blickte nach oben.
Über ihm
baute sich drohend die große, ungeschlachte Gestalt seines Vaters auf. Breite Schultern,
Hände, die harte Arbeit auf dem Feld gewohnt waren, Beine wie Keulen, so stand er
vor ihm. Ein kantiges Gesicht mit wulstigen Augenbrauen und einer fleischigen Nase
sah ihn missbilligend an.
»Steh
schon auf, du Bengel, oder willst du deiner Mutter nicht zur Hand gehen?«
Die Stimme
dröhnte laut und tief durch den ganzen Raum.
Plötzlich
erinnerte er sich: Heute war Brautag. Der wichtigste Tag der Woche!
»Natürlich,
Vater«, erwiderte er leise und erhob sich von seiner Strohmatte. Der frische Geruch
des Morgens, vermischt mit Stallgeruch, hing in der Luft. Niklas liebte diese Mixtur,
besonders heute. Er war auch nicht zornig über die Härte seines Vaters, er war halt
so, meinte es aber nicht böse.
Sein Vater
verließ den Raum und begab sich an sein Tagewerk, 15 harte Stunden auf dem Acker,
keine sehr beneidenswerte Arbeit. Es dämmerte gerade, Niklas ging in die Küche.
Schon beim Hereinkommen roch er das Brot; das süß-malzige Aroma des gerösteten Getreides
stieg ihm in die Nase.
Seine
Mutter stand am großen, klobigen Holztisch, den Rücken ihm zugekehrt. Ihre dunkelbraunen
Haare waren zu einem Dutt zusammengesteckt, darüber hatte sie ein Kopftuch gebunden.
Während Niklas jetzt näher kam, konnte er nur die Nase seiner Mutter sehen, die
aus dem Rahmen des Kopftuchs herausstach, das ganze hagere Gesicht sah er erst,
als sie es drehte.
»Guten
Morgen, Mutter!«
Sie lächelte
ihn an.
»Da bist
du ja, fein, dann können wir ja anfangen.«
Sie hatte
natürlich bereits längst begonnen, war, wie schon seit jeher, eine Stunde vor allen
anderen aufgestanden.
Die Reihenfolge
war immer dieselbe: Erst Mutter, dann Vater, dann Niklas als Ältester; seine vier
jüngeren Geschwister mussten erst aufstehen, wenn der Vater bereits auf dem Feld
war. Er war im morgendlichen Gewimmel recht reizbar. Niemand hatte Lust, am frühen
Morgen bereits Prügel oder wenigstens Schläge zu beziehen.
Eigentlich
war der heutige Tag nicht nur Brau-, sondern auch Backtag. Das Backen war aber so
alltäglich, dass man nur vom Brauen sprach.
Schnell
hatte Niklas eine Portion Gerstenbrei mit Milch verschlungen. Mutter hatte schon
alle Zutaten bereitgestellt. Am Vortag war Niklas mit seinem zwei Jahre jüngeren
Bruder Matthias zur Mühle gelaufen, was den ganzen Tag lang gedauert hatte. Der
gemahlene halbe Scheffel Gerste sollte ausreichen, um genügend Bier und Brot für
zwei Wochen herzustellen.
Das Bier
vom letzten Mal war bereits verdorben, und in sechs Tagen war St. Michaelis. Wenn
sein Vater an seinem Namenstag kein Bier im Hause hatte, würde er bestimmt tobsüchtig.
Es war, Gott sei Dank, bisher noch nicht vorgekommen.
Natürlich
hatten sie beim Bierbrauen des öfteren Fehlschläge erlitten, aber das war gut so,
denn das hatte jeder. Ständige Erfolge beim Bierbrauen waren verdächtig, diese Leute
waren mit dem Bösen oder dem Übersinnlichen im Bunde, man ging ihnen aus dem Weg.
Nur für Michaelis musste es klappen, Ende September war die Arbeit auf dem Feld
fast getan, da musste ein gutes Bier her.
Die Mutter
hatte bereits Wasser in den großen hölzernen Zuber gefüllt. Der jahrelange Gebrauch
hatte dessen Farbe ausgelaugt und den Boden mürbe gemacht. Schon bald würden sie
einen neuen Zuber brauchen.
Jetzt
leerten sie gemeinsam einen Sack zerstoßene Gerste ins Wasser.
Niklas
ergriff einen hölzernen Prügel und begann, mit diesem das Mehl zu verrühren. Dieser
Teil war für ihn immer am mühsamsten. Während seine Mutter am glühenden Ofen hantierte
und Feuerholz nachlegte, rührte er mit der ganzen Kraft seiner elf Lebensjahre in
dem Zuber.
Nach ein
paar Minuten Rühren kam seine Mutter und begutachtete seine Arbeit, wie sie es jedes
Mal tat. Dann nahm sie, wie immer, einen ersten Klumpen Teig und formte ihn mit
geübten Handgriffen zu einem Laib. Zuerst buken sie immer das Brot, im Anschluss
daran machten sie Bier. Der erste Laib verschwand im Ofen, die Mutter formte bereits
den nächsten. Die gesamte Menge des Getreides musste für ungefähr 15 Laibe Brot
reichen. Sieben zum Essen, acht zum Bierbrauen. Wenn etwas übrig blieb, wurde gegen
Ende noch ein letztes Brot gebacken. Das wurde dann zum Kloster
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