Der Bierzauberer
seine
wachen Augen, seine Stupsnase, seine verstrubbelten Haare signalisierten jedem:
Bitte nicht unterschätzen!
Da die
Mutter gerade das dritte Kind zur Welt gebracht hatte und diesmal sehr schwach auf
den Beinen war, musste Niklas im Haushalt mit anfassen und der Mutter alle Arbeiten
abnehmen, die er erledigen konnte.
Sobald
dabei der Reiz des Neuen verschwunden war, was nicht lange dauerte, langweilte er
sich schnell. Dann empfand er alle Arbeiten als mühsam und er fiel jeden Abend nur
noch todmüde ins Bett. Die für einen kleinen Jungen sehr anstrengende Arbeit, die
vielen Handreichungen für die Mutter hatten ihm schnell jeden Gedanken an Unsinn
ausgetrieben.
Sein größter
Trost in dieser Zeit war, dass er zu klein war, um mit dem Vater aufs Feld zu gehen.
Insgeheim graute ihm schon vor diesem Tag, den sein Vater auf seinen zwölften Geburtstag
datiert hatte. Nicht nur, weil dann der Ernst des Lebens beginnen würde.
Es war
auch Brauch, dass die Väter ihre Söhne am zwölften Geburtstag hinaus aufs Feld führten.
Dort zeigten sie ihnen die Begrenzungssteine der Felder, damit die Jungen sich den
Standort merkten. Denn immer wieder versuchten die Bauern, sich gegenseitig die
Steine zu versetzen und so ihr Land unrechtmäßig zu vergrößern.
Und damit
der Sohn den Standort niemals vergaß, gab es anscheinend nur ein probates Mittel:
Er wurde dort nach Strich und Faden verdroschen. Man erinnerte sich an den Ort einer
Tracht Prügel besser als an einen einfachen Begrenzungsstein!
Die einzigen echten Abwechslungen,
auf die er sich im Alltag freuen konnte, waren die Brautage. Seit ihn seine Mutter
zum ersten Mal zum Backen und Brauen eingespannt hatte, waren dies immer seine liebsten
Tage.
Niklas
empfand das Brauen stets als eine Art Belohnung, da er im Gegensatz zu seinen Geschwistern
schon richtig arbeiten musste. Vom ersten Zuschauen bis jetzt, fünf Jahre später,
hatte ihn seine Mutter mehr und mehr Anteil nehmen lassen an der Bierherstellung.
Zuletzt
durfte er alles Mehl, das er und sein Bruder von der Mühle zurückbrachten, sogar
allein messen, er durfte den Teig anrühren und den Ofen heizen. Das Schönste war
aber immer, die frischen, heißen Brotlaibe aus dem Ofen zu holen.
Nur das
Formen der Laibe und das Mischen und Kochen der Bierkräuter ließ sich die Mutter
nicht nehmen. Niklas war sicher, nach fünf Jahren ›Brau-Erfahrung‹ schon alles viel
besser als seine Mutter zu wissen.
Er redete
sich immer heimlich ein, dass er allein ein noch viel besseres Bier brauen könnte,
wenn man ihn nur ließe. Sogar die Bierkräuter würde er anders und ohne Frage besser
komponieren. Doch, so machte er sich Mut, seine Zeit würde kommen. Wenn da nur nicht
die Drohung wäre, bald mit aufs Feld gehen zu müssen. Nur noch ein Jahr, dann war
Schluss mit der Hausarbeit, dann freilich auch mit den Brautagen.
Dann würde
es ernst werden mit der Arbeit, die sie zusätzlich für ihren Gutsherrn verrichten
mussten: Dung ausbringen, Schafställe bauen und decken, den Mühlenteich reinigen,
Zäune errichten, Waschen und Scheren der Schafe, Pflügen, Eggen und vieles mehr.
Dazu kam
die Arbeit am eigenen Garten, am windschiefen Haus und auf dem kleinen, ihnen gehörenden
Feld.
Gegen
Ende des Herbstes bekamen sie vom Gutsherrn immer ausreichend Holz gestellt, um
Haus und Zäune zu reparieren und damit auf den Winter vorzubereiten. Der Rest wurde
als Brennholz eingelagert. Es gab also das ganze Jahr über zu tun.
Matthias,
sein jüngerer Bruder, kümmerte sich mit der Mutter seit drei Jahren um den ärmlichen,
kleinen Gemüsegarten, die paar Hühner darin sowie das Schwein, das sie sich leisten
konnten und mit Essensabfällen, Nüssen und Eicheln ernährten.
Da auch
er später mit aufs Feld sollte, hatte Michael schon bestimmt, dass Elisabeth, die
jetzt acht Jahre alt war, im nächsten Jahr Niklas als Brauhelfer ablösen und dann
ebenfalls irgendwann die Mutter beim Backen und Brauen einmal ganz ersetzen sollte.
Diese Tätigkeiten waren seit eh und je Frauensache, die Männer kümmerten sich um
die richtige Arbeit.
Anteil
an der Bierherstellung nahmen sie lediglich, wenn die Resultate schlecht oder sauer
waren, und dann auch nur in Form von Wutausbrüchen.
Dass Niklas
überhaupt beim Brauen helfen durfte, war nur der körperlichen Schwäche seiner Mutter
zuzuschreiben. Anfangs hatten ihn die anderen Kinder, sogar sein kleiner Bruder,
verspottet, weil er Mädchenarbeit verrichten musste. Allerdings, je mehr
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