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Der blaue Express

Der blaue Express

Titel: Der blaue Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ausgezeichnete Wahl, Mademoiselle. Mademoiselle hat sehr feinen goßt. Ja, wahrhaftig. Mademoiselle kann nichts Besseres auswählen als diese kleinen complets, wenn sie, wie ich vermute, diesen Winter an die Riviera fährt.»
    «Lassen Sie mich doch dieses Abendkleid noch einmal sehen», sagte Katherine – «das in Rose und Malve.»
    Virginie erschien und kreiselte langsam vorüber.
    «Das ist das hübscheste von allen», sagte Katherine, als sie das erlesene Ensemble aus Malve und Grau und Blau betrachtete. «Wie haben Sie es genannt?»
    «Soupir d’automne; ja, ja, das ist wirklich das Kleid für Mademoiselle.»Warum kamen diese Worte Katherine mit einem leisen Gefühl von Traurigkeit wieder ins Gedächtnis, als sie den Salon verlassen hatte?
    «‹Soupir d’automne, das ist wirklich das Kleid für Mademoiselle›.» Herbst, ja, es war Herbst für sie. Frühling oder Sommer hatte sie nie gekannt, und sie würde sie auch niemals kennen lernen. Sie hatte etwas verloren, das ihr nie zurückgegeben werden konnte. All die Jahre des Dienens in St. Mary Mead – und die ganze Zeit war das Leben an ihr vorübergegangen.
    «Ich bin eine Närrin», sagte Katherine. «Ich bin eine Närrin. Was will ich denn eigentlich? Also, vor einem Monat war ich zufriedener als jetzt.»
    Aus ihrer Handtasche nahm sie den Brief, den sie am Morgen von Lady Tamplin erhalten hatte. Katherine war nicht dumm. Sie verstand sehr wohl die Nuancen dieses Briefs, und die Gründe für Lady Tamplins plötzlich bekundete Zuneigung zu einer so lange vergessenen Kusine waren ihr durchaus klar. Nutzen, nicht Vergnügen ließ Lady Tamplin die Gesellschaft ihrer lieben Kusine so sehr ersehnen. Nun ja, warum nicht? Beide Seiten würden profitieren.
    «Ich fahre hin», sagte Katherine.
    Da ging sie gerade Piccadilly hinunter und begab sich zu Cook’s, um gleich Nägel mit Köpfen zu machen. Einige Minuten musste sie warten. Der Mann, mit dem sich der Angestellte gerade beschäftigte, würde auch an die Riviera reisen. Alles fährt jetzt dahin, dachte sie. Nun denn, zum ersten Mal in ihrem Leben würde sie nun auch tun, was «alle» taten.
    Der Mann vor ihr drehte sich plötzlich um und ging, und sie nahm seinen Platz ein. Sie trug dem Angestellten ihr Anliegen vor, aber gleichzeitig beschäftigte sich ein Teil ihrer Gedanken mit etwas anderem. Das Gesicht dieses Mannes – irgendwie kam es ihr bekannt vor. Wo hatte sie ihn nur gesehen? Plötzlich erinnerte sie sich. Es war vor ihrem Zimmer im Savoy gewesen, an diesem Morgen. Sie war mit ihm auf dem Korridor zusammengestoßen. Merkwürdiger Zufall, ihm zweimal an einem Tag zu begegnen. Sie warf einen Blick über die Schulter, mit einem Gefühl des Unbehagens, dessen Grund sie nicht kannte. Der Mann stand im Eingang und schaute zu ihr zurück. Ein kalter Schauer überlief Katherine; sie hatte eine Vorahnung von Tragödie, von drohendem Unheil…
    Dann schüttelte sie mit ihrer gesunden Vernunft den Eindruck ab und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf das, was der Angestellte sagte.

Neuntes Kapitel

Ein abgelehntes Angebot
     
    D erek Kettering ließ sich nur selten von Stimmungen unterkriegen. Lässige Sorglosigkeit war sein wichtigster Wesenszug und hatte ihm schon aus mancher Klemme geholfen. Auch nun, da er Mirelles Wohnung verlassen hatte, war er bald wieder gefasst. Kühle Überlegung tat Not. Die Klemme, in der er jetzt steckte, war die schlimmste, in der er sich je befunden hatte, und es waren unvorhergesehene Faktoren aufgetaucht, mit denen er im Moment noch nicht umzugehen wusste.
    Tief in Gedanken schlenderte er dahin. Seine Stirn war zerfurcht, und die muntere, lässige Art, die ihm so gut anstand, war verschwunden. Mehrere Möglichkeiten gingen ihm durch den Kopf. Man hätte durchaus sagen können, dass Derek Kettering nicht so närrisch war, wie er wirkte. Er sah verschiedene gangbare Wege – einer davon schien ihm besonders geeignet. Wenn er davor zurückschreckte, so nur für den Moment. In einer verzweifelten Lage greift man zu verzweifelten Mitteln. Er hatte seinen Schwiegervater ganz richtig eingeschätzt. Ein Krieg zwischen Derek Kettering und Rufus Van Aldin konnte nur auf eine Weise enden. Im Geiste fluchte Derek heftig auf das Geld und die Macht des Geldes. Er ging die St. James’s Street hinauf, überquerte Piccadilly und schlenderte weiter in Richtung Piccadilly Circus. Als er am Büro von Thomas Cook & Sons vorüberging, wurden seine Schritte langsamer. Er ging jedoch weiter,

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