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Der blaue Mond

Der blaue Mond

Titel: Der blaue Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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mittlerweile mehr oder weniger gewöhnt bin.
    »Sie ist in ihrem Zimmer und macht sich fertig«, sagt sie und sieht mir nach, während sie ihrer Freundin zuflüstert: »Okay. Ich singe dann Dead on Arrival, und du kannst Creep singen.«
    Ich schlendere an meinem Zimmer vorüber, lasse meine Tasche zu Boden fallen und gehe weiter zum Zimmer meiner Mutter, wo ich mich gegen den Durchgang lehne, der das Schlafzimmer vom Badezimmer trennt, und ihr zusehe, wie sie sich schminkt. Ich muss daran denken, wie gern ich das immer getan habe, als ich noch klein war und meine Mom für die glamouröseste Frau der Welt gehalten habe. Wenn ich sie jetzt betrachte, ich meine, objektiv betrachte, wird mir klar, dass sie tatsächlich irgendwie glamourös ist, zumindest für eine ganz normale Mittelschichtsmutter.
    »Wie war's in der Schule?«, fragt sie, während sie den Kopf nach allen Seiten dreht, um sich zu vergewissern, dass sie ihr Make-up gleichmäßig und ohne Ränder aufgetragen hat.
    »Ganz okay«, antworte ich achselzuckend. »Wir haben einen Test in Naturwissenschaften geschrieben, bei dem ich ziemlich sicher durchgefallen bin«, sage ich, obwohl ich eigentlich gar nicht glaube, dass es ganz so schlecht gelaufen ist. Aber ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll, was ich eigentlich sagen will - dass sich alles merkwürdig anfühlt und ungewiss, als wäre es aus dem Gleichgewicht geraten, aus dem Tritt -, und hoffe auf irgendeine Reaktion von ihr.
    Doch sie seufzt nur und macht mit ihren Augen weiter, indem sie sich mit einem kleinen Bürstchen über Lider und Lidfalten streicht. »Du bist bestimmt nicht durchgefallen«, sagt sie und sieht mich im Spiegel an. »Bestimmt hast du ganz gut abgeschnitten.«
    Ich fahre mit dem Finger einen Fleck an der Wand nach und denke, dass ich mich verziehen, eine Weile auf mein Zimmer gehen und mich entspannen sollte, ein bisschen Musik hören, ein gutes Buch lesen, irgendetwas, um mich von mir selbst abzulenken.
    »Tut mir leid, dass es so kurzfristig war«, sagt sie und schiebt das Bürstchen ihrer Wimperntusche mehrmals in den Behälter und wieder heraus. »Du hattest bestimmt schon etwas anderes vor.«
    Schulterzuckend drehe ich das Handgelenk hin und her, beobachte, wie die Kristalle auf meinem Armband aufblinken und im Neonlicht glitzern, und versuche, mich daran zu erinnern, woher ich es habe. »Schon in Ordnung«, sage ich. »Es kommen noch massenhaft andere Freitagabende.«
    Meine Mutter zwinkert mir zu, die Wimperntusche in der Hand, und hält beim Schminken inne. »Ever?«, sagt sie. »Bist das du?« Sie lacht. »Ist irgendetwas los, das ich wissen müsste? Das klingt nämlich ganz und gar nicht nach meiner Tochter.«
    Ich hole tief Luft, während ich mir wünsche, ich könnte ihr sagen, dass ganz eindeutig etwas los ist, etwas, das ich nicht richtig benennen kann, etwas, wodurch ich mich so gar nicht wie ich fühle.
    Doch ich tue es nicht. Ich meine, ich kann es mir selbst kaum erklären, geschweige denn ihr. Ich weiß nur, dass ich mich gestern noch gut gefühlt habe - und heute eher das Gegenteil von gut. Irgendwie fremdartig - als passte ich nicht mehr dazu, als wäre ich ein rundes Mädchen in einer eckigen Welt.
    »Du weißt, dass ich damit einverstanden bin, wenn du dir ein paar Freunde einlädst«, sagt sie und macht mit ihren Lippen weiter, indem sie eine Schicht Lippenstift aufträgt und die Farbe durch einen Tupfer Lipgloss verstärkt. »Solange es nicht mehr als drei sind und du deine Schwester nicht ignorierst.«
    »Danke«, sage ich nickend und ringe mir ein Lächeln ab, damit sie glaubt, mit mir sei alles in Ordnung. »Aber irgendwie freue ich mich auf einen Abend ohne all das.«
    Ich gehe in mein Zimmer und lasse mich aufs Bett fallen, zufrieden damit, einfach nur an die Decke zu starren, bis ich begreife, wie erbärmlich das ist, und so greife ich stattdessen nach dem Buch auf meinem Nachttisch. Bald bin ich ganz vertieft in die Geschichte eines Jungen und eines Mädchens, die so eng miteinander verbunden sind und so perfekt zusammenpassen, dass ihre Liebe die Grenzen der Zeit überschreitet. Ich wünschte, ich könnte in das Buch steigen und für immer dort bleiben, da mir ihre Geschichte besser gefällt als meine eigene.
    »Hey, Ev.« Mein Dad steckt den Kopf zur Tür herein. »Ich wollte hallo und tschüss zugleich sagen. Wir sind spät dran und müssen gleich los.«
    Ich werfe mein Buch beiseite, stürme auf ihn zu und umarme ihn so fest, dass er lacht

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