Der blaue Mond
machen.
»Und wann passiert das im Verhältnis zum Vollmond?«, frage ich und sehe zu, wie sie sich beim Kauen eine Hand vor den Mund hält.
»Der Vollmond tritt etwa zwei Wochen nach dem Neumond ein. Zu dem Zeitpunkt reflektiert der Mond die maximale Lichtmenge von der Sonne, die ihn von der Erde aus voll aussehen lässt. Dabei ist er in Wirklichkeit ja immer voll, da er schließlich nicht irgendwohin verschwindet. Ach, und was die Symbolik angeht? Das wolltest du doch wissen, oder?« Sie lächelt. »Der Vollmond steht für Überfluss, Fülle, eine Art Reifen aller Dinge zur Blüte ihrer Kräfte. Und da die Mondenergie zu diesem Zeitpunkt am stärksten ist, ist sie auch voller Zauberkraft.«
Ich nicke und versuche, alles zu verdauen, was sie gerade gesagt hat, und bekomme allmählich eine leise Ahnung davon, warum diese Phasen für meinen Plan so wichtig sind.
»Alle Mondphasen symbolisieren irgendetwas«, fährt Ava achselzuckend fort. »Der Mond spielt eine wichtige Rolle im althergebrachten Wissen, und er kontrolliert die Gezeiten. Und da unsere Körper zum größten Teil aus Wasser bestehen, meinen manche, dass er auch uns kontrolliert. Deshalb nennt man ja zum Beispiel Schlafwandler auch mondsüchtig. Ach, und denk an die Werwolflegende - da dreht sich doch auch alles um den Vollmond!«
Ich rolle innerlich die Augen. Es gibt weder Werwölfe noch Vampire noch Dämonen - nur Unsterbliche und bösartig gewordene Unsterbliche, die entschlossen sind, Erstere zu töten.
»Darf ich fragen, warum du das alles wissen willst?«, sagt sie, trinkt ihren Espresso aus und schiebt die Tasse beiseite.
»Gleich«, erwidere ich abgehackt und barsch, wesentlich weniger beiläufig als sie. Doch im Gegensatz zu ihr mache ich nicht Urlaub in Paris, sondern nehme den Anblick nur hin, um die Antworten zu bekommen, die ich brauche. »Eine letzte Frage noch: Was ist denn so besonders an einem Vollmond in der heure bleue oder der blauen Stunde, wie man so sagt?«
Sie sieht mich mit aufgerissenen Augen an und sagt mit atemloser Stimme: »Du meinst den blauen Mond?«
Ich zucke die Achseln und muss daran denken, dass der Mond auf dem Bild so blau war, dass er praktisch mit dem Himmel verschmolz. Dann stelle ich mir vor, dass er wohl ein Symbol für einen richtigen blauen Mond sein sollte, nachdem seine Farbe so pulsiert und geschimmert hat. »Ja«, sage ich. »Aber der blaue Mond speziell während der blauen Stunde - was weißt du darüber?«
Sie holt tief Luft und blickt in die Ferne, ehe sie antwortet. »Normalerweise sagt man, dass der zweite Vollmond innerhalb eines Kalendermonats ein blauer Mond ist. Doch es gibt noch eine andere, esoterischere Denkschule, die sagt, dass man nur dann von einem echten blauen Mond sprechen kann, wenn zwei Vollmonde nicht unbedingt im selben Monat, sondern innerhalb desselben Tierkreiszeichens vorkommen. Dies gilt als ein sehr heiliger Tag, ein Tag, an dem die Verbindung zwischen den Dimensionen besonders stark ist. Deshalb ist das der ideale Zeitpunkt für Meditation, Gebet und mystische Reisen. Es heißt, wenn man die Energie eines blauen Mondes während der heure bleue anzapft, dann können alle möglichen magischen Dinge geschehen. Die einzigen Grenzen sind wie immer deine eigenen.«
Sie sieht mich fragend an und will wissen, was ich vorhabe, aber ich bin noch nicht dazu bereit, es ihr anzuvertrauen. Schließlich schüttelt sie den Kopf und sagt: »Aber nur damit du es weißt: Ein echter blauer Mond ist sehr selten, den gibt es nur alle drei bis fünf Jahre.«
Mein Magen verkrampft sich, während ich mit den Händen die Sitzfläche des Stuhls umklammere. »Und weißt du, wann der nächste blaue Mond sein wird?« Dabei denke ich: Bitte lass es bald sein, bitte lass es bald sein!
Ich muss mich beinahe übergeben und kippe fast vom Stuhl, als sie den Kopf schüttelt und sagt: »Ich habe keine Ahnung.«
Ja, natürlich! Das, was ich unbedingt wissen muss, ist ausgerechnet das, was sie nicht weiß.
»Aber ich weiß, wie wir es herausfinden können.« Sie schmunzelt.
Gerade als ich sie darüber informieren will, dass mir meines Wissens soeben der Zugang zur Akasha-Chronik gesperrt wurde, schließt sie die Augen und kurz darauf erscheint ein silberner iMac.
»Lust zu googeln?« Sie lacht und schiebt mir den iMac herüber.
ACHTUNDDREISSIG
Obwohl ich mir wie ein Idiot vorkam, als Ava den Laptop manifestiert hat (ich meine, Mann, warum bin ich da nicht selbst draufgekommen?), haben wir
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