Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der blaue Stern

Der blaue Stern

Titel: Der blaue Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
Vom Netzwerk:
plötzlich leer, von Myrtis abgesehen. Nur das leichte Zittern eines Wandteppichs verriet, wo Lythande eine verborgene Tür geöffnet hatte, um sich durch den Geheimgang dahinter zurückzuziehen. Myrtis hatte nicht erwartet, daß der Magier bleiben würde, doch trotz ihrer vielen gemeinsamen Jahre überraschte des Zauberers plötzliches Kommen und Gehen sie immer noch.
    Myrtis steckte die perlenbesetzten _ Goldspangen in ihrem Haar zurecht, rieb duftendes Öl auf die Haut, und begrüßte die ersten Herren des Abends, als wäre dieser Tag so wie alle anderen auch verlaufen.
    Die Kunde von der Steuereinziehung hatte sich inzwischen in der ganzen Stadt verbreitet, genau wie Lythande berichtet hatte. Als Ergebnis kamen viele der selteneren Kunden, um Abschied von dem Haus zu nehmen, das, wie sie offenbar erwarteten, bald geschlossen werden würde. Myrtis schenkte jedem ein strahlendes Lächeln, nahm das Geld entgegen und erkundigte sich nach einer zweiten Wahl, falls die erste bereits vergeben war, ehe sie ihrem Kunden versicherte, daß das Aphrodisiahaus nie schließen würde.
    »Madame?«
    Ambutta schaute zur Tür herein, als das Gedränge ein wenig nachließ.
    »Der Küchenmeister sagt, wir haben genug Lebensmittel für zehn Tage, aber Wein und dergleichen wird nicht ganz so lange reichen.«
    Myrtis tupfte sich mit der Schreibfeder gegen eine Schläfe. »Zehn Tage? Da ist jemand wohl etwas nachlässig geworden. In unseren Lagerräumen ist Platz für Vorräte für mehrere Monate. Aber da wir nur noch genug für zehn Tage haben, wird es reichen müssen. Gib in der Küche Bescheid, daß weder morgen noch übermorgen etwas eingekauft werden darf, noch irgendwelche Bestellungen vorgenommen werden dürfen. Auch die anderen Häuser sollen sich danach richten.
    Noch etwas, Ambutta. In Zukunft wird Irda meine Botengänge machen. Es ist an der Zeit, daß man dir etwas Wichtigeres und Nützlicheres beibringt.«
    Ein steter Strom von Kaufleuten und Händlern floß am Spätvormittag des nächsten Tages durch das Aphrodisiahaus zu Myrtis' Salon, nachdem die Auswirkung ihrer Anweisung in der Stadt erkannt worden war.
    »Aber Madame Myrtis, die Steuer ist doch noch nicht fällig, und gewiß hat das Aphrodisiahaus die Mittel ...« Der Mann mit dem aufgedunsenen Gesicht, der die Hälfte der Häuser auf der Straße mit Fleisch belieferte, war abwechselnd zornig und weinerlich.
    »In einer so unsicheren Zeit, mein guter Mikkun, müssen wir auf teures Fleisch verzichten. Wie sehr wünschte ich mir, es wäre nicht so. Der Geschmack von Salzfleisch hat mich schon immer an Armut erinnert. Aber im Statthalterpalast kümmert man sich nicht um die Armut jener, die außerhalb seiner Mauern leben, sondern man schickt uns im Gegenteil sogar noch Steuereintreiber«, sagte Myrtis mit vorgetäuschter Hilflosigkeit.
    Den betrüblichen Umständen entsprechend, hatte Myrtis keines ihrer reichbestickten hellen Gewänder angezogen, wie üblich, sondern ein einfaches, streng geschnittenes, altmodisches Kleid, wie man es vor etwa zwanzig Jahren in Freistatt getragen hatte. Auch ihr Geschmeide hatte sie abgenommen, weil sie wußte, daß dessen Abwesenheit den Gerüchten mehr Nahrung gab, als wenn sie tatsächlich einen Teil ihrer Kleinodien verkauft hätte. Eine Stimmung düsterer Nüchternheit herrschte in jedem Haus der Straße, wie Mikkun bezeugen konnte, da er sie schon fast alle aufgesucht hatte.
    »Aber Madame, ich habe bereits zwei Kühe geschlachtet! Seit drei Jahren habe ich die Kühe geschlachtet, bevor ich kam, damit Ihr Euch selbst von der Frische des Fleisches überzeugen konntet. Heute wollt Ihr mir nun ohne jeglichen Grund das Fleisch nicht abnehmen! Madame, Ihr schuldet mir bereits das Geld für diese beiden Kühe!«
    »Mikkun! In all den Jahren, die ich Euch kenne, habt Ihr nie einem Haus dieser Straße Kredit gewährt, und jetzt - jetzt verlangt Ihr, daß ich meine täglichen Einkäufe bei Euch als Verpflichtung betrachte.« Sie lächelte ihn entwaffnend an, denn sie wußte sehr gut, daß der Schlächter und auch die anderen Händler sich auf das Gold aus der Straße verließen, um ihre eigenen Schulden zu bezahlen.
    »In Zukunft werde ich Kredit gewähren!«
    »Aber dann sind wir nicht mehr hier und können ihn also auch nicht nutzen!«
    Myrtis verzog das Gesicht zu einem bedrückten Schmollen. Sollten der Schlächter und seine Freunde doch nun ihre »ehrbaren« Schuldner mahnen und bedrängen, dann würde es sich schnell sogar bis zum

Weitere Kostenlose Bücher