Der blaue Stern
Palast herumsprechen, daß etwas nicht stimmte. »Etwas«, das sie dem Höllenhund-Hauptmann Zalbar klar machen würde, wenn er kam, um die Steuer einzutreiben. Die Krämer murmelten schlimme Prophezeiungen, von denen sie hoffte, daß sie von jenen in entsprechenden Stellungen gehört würden, die sich darüber Gedanken machen mußten.
»Madame?«
Ambuttas kindlich ernstes Gesicht schaute durch die Tür, nachdem der Schlächter gegangen war. Ihr altes Gewand war bereits durch ein figurbetonteres, von freundlicherer Farbe und aus neuem Stoff ersetzt worden.
»Amoli möchte gern mit Euch sprechen. Sie ist in der Küche. Darf ich sie zu Euch schicken?«
»Ja, führ sie herauf.«
Myrtis seufzte, nachdem Ambutta die Tür hinter sich geschlossen hatte. Amolia war ihre einzige Rivalin in der Straße, sie hatte ihr Gewerbe nicht in den oberen Gemächern des Aphrodisiahauses gelernt. Ihre Mädchen band sie an sich, indem sie sie krrfsüchtig machte, und den Krrf besorgte und verkaufte sie ihnen. Wenn jemand in der Straße sich Sorgen über die Steuer machte, dann ganz besonders Amoli, denn sie hatte am wenigsten Gold, da die Schmuggler vor kurzem, ebenfalls durch die Höllenhunde, dazu gebracht worden waren, den Preis der Krrfbarren zu erhöhen, um selbst wenigstens noch ein bißchen daran zu verdienen.
»Amoli, meine Liebe, du siehst erschöpft aus!« Myrtis stützte die Frau, die nicht einmal ein Drittel so alt war wie sie, und rückte ihr den Doppelsessel zurecht. »Darf ich dir etwas zu trinken bringen lassen?«
»Qualis, bitte, falls du welchen im Haus hast.« Amoli schwieg, während Myrtis Ambutta beauftragte, Qualis zu holen. »Ich kann es nicht tun, Myrtis - dein Plan ist unmöglich. Er bringt mich in den Ruin!«
Ambutta brachte den Likör. Das Glas mit der tiefroten Flüssigkeit stand auf einem kunstvoll gehämmerten Silbertablett. Amolis Hände zitterten heftig, als sie danach griff und es mit einem Schluck leerte. Ambutta warf ihrer Herrin einen heimlichen, wissenden Blick zu. Amoli war vielleicht genauso süchtig wie ihre Mädchen?
»Jubal hat sich an mich gewandt. Für eine geringe Summe ist er bereit, die Höllenhunde morgen abend hier mit seinen Männern in einen Hinterhalt zu locken. Er wartet selbst schon eine Weile darauf, die ganze Schar zu töten. Wenn sie erst aus dem Weg sind, wird Kittycat uns keine Schwierigkeiten mehr machen.«
»Ah, dann besorgt also Jubal dir nun den Krrf?« sagte Myrtis nicht sehr freundlich.
»Alle müssen jetzt für die Löschung ihrer Lieferung in den Nächtlichen Geheimnissen bezahlen, wenn sie nicht wollen, daß Jubal sie an die Höllenhunde verrät. Sein Plan ist angemessen. Ich kann mit ihm direkt verhandeln. Das kann auch jeder andere - er handelt mit allem. Aber du und Lythande werdet die Geheimgänge öffnen müssen, um die Gefahr für ihn und seine Männer morgen abend zu verringern.«
Der Rest von Myrtis' Freundlichkeit schwand. Der Liliengarten war vom Netzwerk der Tunnel unter der Straße der Roten Laternen abgetrennt worden, als Myrtis das Ausmaß der Krrfsüchtigkeit in diesem Haus bewußt geworden war. Ungute Erfahrungen warnten sie, käufliche Liebe und Suchtmittel miteinander zu mischen. Es gab immer Männer wie Jubal, die auf das erste Zeichen von Schwäche warteten, und sobald sie zugeschlagen hatten, waren die betroffenen Häuser nicht viel mehr als Sklavenunterkünfte und die Besitzerinnen hatten nichts mehr zu sagen. Jubal scheute Magie, deshalb hatte sie Lythande gebeten, die Tunnel mit leicht erkennbaren, gespenstischen Zauberzeichen zu versiegeln. Solange sie - Myrtis - lebte, war es ihre Straße, nicht Jubals oder die der Stadt.
»Es gibt andere Händler, deren Preise nicht so hoch sind. Oder hat Jubal dir vielleicht einen Platz in seinem Landhaus versprochen? Ich habe gehört, daß er noch andere Dinge recht gut gelernt hat, außer dem Kampf in den Gladiatorgruben von Ranke. Nur ist sein Haus wohl nicht gerade das Richtige für empfindsame Leute.«
Myrtis rümpfte die Nase auf die übliche Weise, wenn von jemandem gesprochen wurde, der in der Abwindgegend wohnte. Amoli antwortete mit einer Geste, die gleichermaßen verächtlich und beleidigend war, und verließ den Salon ohne ein weiteres Wort.
Die Probleme mit Jubal und den Schmugglern begannen gerade erst richtig. Myrtis grübelte darüber nach, als Ambutta Glas und Tablett aus dem Salon getragen hatte. Jubals skrupelloser Ehrgeiz war im Grunde genommen gefährlicher als jegliche
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