Der blaue Stern
nur ausführt, was man Euch auftrug. Nicht Euch persönlich darf man die Schuld geben, wenn die Kaufleute und Lieferanten nun Einbußen erleiden, weil sich die Verhältnisse in unserer Straße geändert haben.«
Zalbar beschäftigte sich weiter mit dem Aufstapeln der Münzen und hörte Myrtis nur mit halbem Ohr zu. Er hatte erst gut ein Drittel des Schatulleninhalts ordentlich aufgetürmt, als Myrtis den Glasstöpsel aus der Karaffe zog.
»Trinkt Ihr ein Gläschen Qualis mit mir? Das Ganze ist ja wirklich nicht Eure Schuld, und wir haben noch einige Köstlichkeiten in unserer Vorratskammer. Ich habe gehört, daß der Nebel heute fast zum Schneiden dick ist.«
Er blickte vom Zählen auf, und seine Augen leuchteten beim Anblick des tiefroten Likörs. Der einfache, obgleich ebenfalls keineswegs billige Qualis war von dumpferer Farbe und wies gewöhnlich sichtbaren Bodensatz auf. Ein Mann in seiner Stellung mochte ein ganzes Leben hinter sich und doch nie einen feinen, reinen Qualis gesehen, geschweige denn je ein Glas davon getrunken haben. Ganz offensichtlich war dieses Angebot verlockend für ihn.
»Ein winziges Gläschen, vielleicht.«
Sie schenkte zwei Gläser voll und stellte sie vor ihn auf den Tisch. Dann verschloß sie die Karaffe wieder und trug sie zu dem Tischchen neben ihrem Bett. Ein heimlicher Blick in einen Seitenspiegel bestätigte ihr, daß Zalbar nach dem entfernteren Glas griff. Ruhig kehrte sie zurück und hob das andere.
»Ein Trinkspruch: Auf die Zukunft Eures Prinzen und auf das Aphrodisiahaus!«
Sie stießen an.
Der Trunk, den Lythande gebraut hatte, bestand zum Teil aus denselben Beeren wie der Qualis selbst. Der köstliche Likör war der vollkommene Verdünner dafür. Myrtis schmeckte den schwachen Unterschied aus dem üblichen Aroma des Likörs heraus, aber Zalbar, der noch nie auch nur den einfachen Qualis gekostet hatte, nahm an, die Extrawärme gehöre zu dem legendären Geheimnis dieses teuren Getränks. Als er sein Glas geleert hatte, trank Myrtis ihres ebenfalls aus und wartete geduldig auf die leichte Rötung seines Gesichts, die anzeigen würde, daß der Trank zu wirken begann.
Sie kam. Er wurde des Zählens müde und spielte mit einer Münze, während sein Blick ins Nichts wanderte. Myrtis nahm ihm die Münze aus der Hand. Bei ihr dauerte es länger, bis der Trank eine Wirkung zeigte und sie war auch weit geringer, denn unzählige Male hatte sie sich bereits dieses Trankes bedient, außerdem minderten zusätzlich die altershemmenden Zauber, mit denen Lythande sie schützte, die Wirkung. Sie hätte des Trankes jedoch nicht bedurft, um sich von dem gutaussehenden Soldaten angezogen zu fühlen, ihn auf die Füße und dann in ihr Bett zu locken.
Zalbar erklärte, daß er irgendwie nicht er selbst sei und einfach nicht verstünde, was mit ihm vorging. Myrtis machte sich nicht die Mühe, lange Gespräche mit ihm zu führen. Lythandes Trank weckte keine wilde, blinde Leidenschaft, sondern eine lebenslange Zuneigung. Der reine Qualis spielte seine Rolle in der Schwächung seines Widerstands. Sie hielt den Soldaten hinter den Vorhängen ihres Bettes, bis er keinen Zweifel mehr an seiner Liebe zu ihr hegte. Dann half sie ihm, sich wieder anzuziehen.
»Ich werde dir die Geheimnisse des Aphrodisiahauses zeigen«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
»Ich glaube, ich habe sie bereits entdeckt.«
»Es gibt weitere.«
Myrtis nahm ihn bei der Hand und ging mit ihm zu der verhangenen Wand. Sie schob den Teppich zur Seite, öffnete einen gut geölten Verschluß, nahm eine Lampe von der Wand und führte ihn in einen dunklen, aber luftigen Gang.
»Halte dich möglichst genau in meinen Fußstapfen, Zalbar - ich möchte nicht, daß du durch eine Falltür ins Verlies stürzt. Vielleicht hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, weshalb unsere Straße sich außerhalb der Stadtmauer befindet und warum die Häuser so alt und massiv gebaut sind? Möglicherweise nahmst du an, die Gründer von Freistatt wollten uns außerhalb ihrer schönen Stadt haben? Was du nicht weißt, ist, daß diese Häuser -vor allem die älteren, wie das Aphrodisia - sich gar nicht wirklich außerhalb der Mauer befinden. Mein Haus ist aus vier Fuß dickem Stein gebaut. Die Läden an den Fenstern sind aus dem härtesten Holz aus den Bergen. Wir haben unsere eigenen Brunnen und Lagerräume mit Vorräten, die nicht nur für uns, sondern für die ganze Stadt, Wochen reichen würden, falls Not am Mann ist. Andere Tunnel
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