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Der blaue Vogel kehrt zurück

Der blaue Vogel kehrt zurück

Titel: Der blaue Vogel kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arjan Visser
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eingesunken. Eine Haarklammer hielt die Kippa in seinem dünnen Haar fest.
    Ich ließ meinen Bericht in dem Moment beginnen, in dem er von einem Tag auf den anderen nicht mehr in der Schleiferei erschienen war, doch ich hütete mich davor, ihm zu gestehen, wie sehr mich das damals verletzt hatte. Schließlich war ich jetzt erwachsen und hatte selbst einiges hinter mir. Wie es mir bei Asscher ergangen war, ließ ich also außen vor. Über den Kriegkonnte ich ihm nicht allzu viel erzählen, aber mit meinem Reisebericht glaubte ich ihm eine Freude machen zu können. Ich schilderte ihm, wie ich zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Zug und dem Auto quer durch Europa gereist war – und ich nahm ihn mit an Bord der Serpa Pinto, all die Seemeilen nach Brasilien, doch meine Abenteuer schienen ihnen nicht zu beeindrucken; offenbar war er nur am Inhalt der Tasche interessiert, die ich auf seinen Schreibtisch gelegt hatte.
    »Was hast du da für mich?«
    Ich gab ihm meinen Diamanten. Obwohl er sich schnell wieder in der Gewalt hatte, sah ich, dass er in den ersten paar Sekunden begriffen hatte, was für ein großer Schatz ihm da in die Hände gefallen war.
    Er nahm den Stein zwischen Daumen und Zeigefinger, musterte ihn unter der Lupe und warf ihn scheinbar achtlos in die Waagschale. Dann griff er nach einem bauchigen Glas, um das spezifische Gewicht festzustellen.
    Hätte Brander nicht wie ein übereifriger Lehrer doziert: »Hier haben wir das Pyknometer«, wäre mir das Wort nie eingefallen. Ich kannte das Gerät. Flip Tuinder hatte es mir einmal gezeigt. Man musste es mit destilliertem, vier Grad kühlem Wasser füllen und wiegen, dann legte man den Diamanten hinein. Durch den Flaschenhals trat Wasser aus, das dem Volumen des Steins entsprach. Anschließend wurde der bauchige Kolben mit dem Diamanten darin nochmals gewogen.
    Nachdem er auf einem Stück Papier herumgekritzelt hatte, kam Brander zu einem Ergebnis, das auch mich angenehm überraschte: Der Diamant hatte zwanzig Karat, kaum Einschlüsse und war beinahe farblos.
    Es war der schwerste Stein, den ich je gefunden hatte. Vorher hatte ich mindestens zehn zusammenlegen müssen, um auf diesesGewicht zu kommen. Splitter, die mir zu klein erschienen, um sie nach Rio zu bringen; ich verließ mich darauf, dass man mir in Diamantina, näher am Fundort, für die leichteren Steine mehr geben würde. Ich hatte eine Menge Geld damit verdient. Mehr als genug. Diesen Diamanten hätte ich nicht gebraucht. Er hatte sich mir mehr oder minder aufgedrängt.
    »Wenn ich ihn mir so ansehe«, murmelte Brander, die Lupe noch in die rechte Augenhöhle geklemmt, »kann man den zu einem schönen Tropfen schleifen.«
    »Und außerdem vielleicht zu ein paar kleinen Rosen, für Ohrringe?«
    »Klar.«
    »Kannst du die schleifen lassen und den Rest des Diamanten für mich verkaufen?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich kann es jedenfalls versuchen.«
    Als ich ihm erzählte, was mit dem Erlös geschehen sollte, fiel Branders Maske der Gleichgültigkeit. Erst wunderte er sich über mein Vorhaben, dann freute er sich – das ging gar nicht anders – über den Gewinn, den er einstreichen durfte. Meine Erklärung, eine Geschichte über Krieg und Frieden, Freundschaft und Verrat, unterbrach er ungeduldig mit einem »Das geht mich nichts an«. Über den Fundort des Diamanten jedoch wollte er alles erfahren.
    Ich erzählte ihm also von dem Fund, und währenddessen hielt Brander den Diamanten in der Hand, strich mit den Fingerkuppen darüber wie einem Tier übers Fell.
    »Und den gibst du weg?«
    »Ja.«
    »Bist du dir sicher?«
    Ich glaube, er fand die Vorstellung, dass ich mich von dem Stein trennen wollte, noch merkwürdiger als den Gedanken,dass ich vorhatte, den Erlös aus seinem Verkauf zu verschenken. Brander nannte mir einen derart hohen Betrag, dass ich mich mit meinen noch nicht mal dreißig Jahren damit hätte zur Ruhe setzen können.
    Ich nickte bekräftigend. »Ganz sicher.«
    Ungebeten setzte Brander einen Vertrag auf, in dem er sich verpflichtete, die genaue Höhe des für den Diamanten erzielten Preises und seine Kommissionsgebühr anzugeben sowie mir den Bankbeleg als Beweis für die Transaktion vorzulegen.
    In zwei Monaten könne ich die kleinen Steine abholen, die er von einem Juwelier in zwei goldene Ohrhänger fassen lassen würde.
    »Überlass das nur mir«, sagte Brander.
    Eine Viertelstunde später stand ich wieder in der Menschenmenge auf der Avenida Rio Branco.
    Ich war derart aufgeregt, die

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