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Der blaue Vogel kehrt zurück

Der blaue Vogel kehrt zurück

Titel: Der blaue Vogel kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arjan Visser
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hättest sicher sofort durchschaut, dass sie am Straßenrand Erfrischungen und Snacks verkaufte und nur für einen Augenblick weggegangen war, um …«
    »Erspar mir die Details!«
    Als die Indian zum Stehen gekommen war und der Staub sich gelegt hatte, kam sie zu mir und fragte mich, so glaube ich jedenfalls, wohin ich mit all dem Krempel wolle. Um ihr klarzumachen, dass ich ihre Sprache nicht verstand, zeigte ich auf meinen Mund. Sie bedeutete mir mitzukommen, und ich begriff, dass sie mir etwas anbieten wollte.
    Ich könnte dir die Stelle zeigen, Augusto, neben ihrem Stand. Da saßen wir, dicht nebeneinander, obwohl es warm war und der Baumstamm, der als Sitzgelegenheit diente, einem Dutzend Menschen Platz geboten hätte. Sie trug ein Kleid mit großen Blumen – »Sonnenblumen, Azulão«, ach ja, entschuldige, Nana –und einen Strohhut. Die Zweige über uns, die sich wie eine Laube über uns wölbten, habe ich im Laufe der Zeit dazuerfunden. Den Drang, sie zu küssen, verspürte ich sofort, ihre Zustimmung bekam ich erst ein paar Tage später, als ich nach zweihundert Kilometern beschlossen hatte, kehrtzumachen und zurückzufahren, weil ich sie noch ein Mal sehen wollte.
    »Ich musste es tun. Wie kann das sein, Augusto?«
    »Das kann einfach sein. Frag nicht nach dem Warum.«
    Als Nana begriff, dass ich nach Brasilien gekommen war, um Diamanten zu suchen, wich sie meinem Mund spielerisch aus und gab mir zu verstehen, dass sie, wenn sie das gewusst hätte, lieber in dem Feld geblieben wäre, bis ich mit meinem Krempel für immer verschwunden wäre.
    An diese Äußerung sollte ich sie später noch oft erinnern, als wir unser Haus in Milho Verde gebaut und Personal eingestellt hatten: eine Köchin, einen Gärtner und ein Faktotum.
    »Im Grunde genommen weiß man nie, worauf man sich einlässt«, sagte Augusto.
    Ich gab ihm recht. »Und die falschen Entscheidungen fegen wir später vom Tisch. Als hätten wir sie nie getroffen.«
    Augenblicklich bedauerte ich meine Worte, weil Augusto sie für eine Anspielung auf die Affären mit seinen Patientinnen halten könnte. In Wirklichkeit jedoch hatte ich an meine eigenen Lügen und Unzulänglichkeiten gedacht und verspürte zum ersten Mal in all den Jahren das Bedürfnis, sie zu beichten.
    »Sieh uns nur an, Azulão«, antwortete mein Freund, »zwei kinderlose Witwer.«
    Zum Glück nannte er uns nicht »unfruchtbar«. Keine »unfruchtbaren alten Knacker« an diesem Tag. Selbst auf Portugiesisch klang das furchtbar trocken, und dabei war das Leben, das ich mit Nana geführt hatte, rauschend und fröhlich gewesen.Das war die einzige Diagnose, die unser Hausarzt mir in all den Jahren stellte; mir fehlte nie etwas, nie musste ich ihn aufsuchen, weil ich krank gewesen wäre.
    Es fiel mir schwer, aus dem Mund eines anderen Mannes zu hören, dass ich keine Kinder zeugen konnte – und das, obwohl der Überbringer der Nachricht vom selben Übel betroffen war. Augusto war der Meinung, dass a infertilidade , bei ihm jedenfalls, luststeigernd wirke.
    »Mein Körper scheint nicht zu begreifen, dass diese ganzen Pumpbewegungen zu keinem Ergebnis führen, und er versucht es wieder und wieder. Erst bei einer Frau, dann bei möglichst vielen anderen.«
    Seine Seitensprünge waren für ein paar schöne Geschichten gut gewesen, doch als ihm klar wurde, dass auf diesem Gebiet nichts von mir zu erwarten war, behielt er seine Abenteuer für sich.
    »Ach ja«, sagte Augusto schließlich mit einem gespielten Seufzer, »c’est la vie!«
    Wir hatten das hintere Ende des Gartens erreicht. Die Sonne stand tief, am Himmel hingen ein paar längliche orangefarbene Wolken. Ich drehte mich zum Haus meines Arztes um, wo seine Haushälterin, wenn meine Nase mich nicht trog, uns ein paar kleine Fische briet. Es hatte sich sogar bis zu ihr herumgesprochen, dass ich mich nach all den Jahren immer noch nicht an das üppige brasilianische Mittagessen gewöhnt hatte und lieber abends eine warme Mahlzeit aß.
    Augusto fragte: »Wie lange wart ihr zusammen, Azulão?«
    Ich kniff ein Auge zu und legte die Hand ans Kinn, als wüsste ich nicht genau, dass ich ein knappes halbes Jahrhundert mit Nana verbracht hatte. Und als ich es ihm sagte, nickte Augusto bewundernd, als wäre ihm das ganz neu.
    Spätabends verabschiedeten wir uns voneinander. Wir hatten beide ein paar Flaschen Bier getrunken. Augustos Augen glänzten.
    »Schön war’s, alter Freund. Ich meine …«
    Ich wusste, was er mir erklären wollte, und

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