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Der blaue Vogel kehrt zurück

Der blaue Vogel kehrt zurück

Titel: Der blaue Vogel kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arjan Visser
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matt. Er sagte, er freue sich zu hören, dass wenigstens ich den Krieg überlebt hätte.
    »Deine Mutter ist nicht zurückgekommen. Landau auch nicht.«
    Seno hatte monatelang vergeblich am Centraal Station und im Portugiesisch-Israelitischen Krankenhaus in der Plantage Franselaan nach seinem Vater, meinem Onkel Louis, gesucht.
    »Schließlich habe ich sie alle drei auf einer Liste vom Roten Kreuz entdeckt. Tante Hannah ist in Deutschland gestorben. Landau und mein Vater wurden irgendwo in Mitteleuropa umgebracht. Genaueres weiß ich nicht.«
    Es dauerte lange, bis ich etwas sagen konnte. Säuerlicher Kummer stieg aus meinem Magen hoch und blieb mir in der Kehle stecken.
    »Jonah?«
    »Ja, ja …«
    Ich gab ihm meine Adresse. Mehr hatte ich nicht zu bieten. Ich sagte, die Verbindung sei furchtbar schlecht, und wir legten mit dem Versprechen auf, uns zu schreiben.
    Seno war der Einzige, der sich an die Abmachung hielt.
    Im Laufe der Jahre bekam ich folgende Post von ihm: eine Karte, auf der stand, er habe sich mit Mejuffrouw Christine Mulderverlobt, eine mit der Mitteilung, dass sie den Bund der Ehe schließen würden, eine Anzeige, auf der der Tod der zu jung verstorbenen Mevrouw C. Aardenwerk-Mulder beklagt wurde, und einen kurzen Brief – verschickt von einer zuvorkommenden Altenpflegerin und von meinen treuen ehemaligen Nachbarn von Milho Verde nach Belo Horizonte weitergeleitet –, dass mein Cousin, Herr Seno Aardenwerk, im gesegneten Alter von neunundachtzig Jahren von Gott, seinem Schöpfer, heimgerufen worden sei.
    Ich reagierte auf keine dieser Nachrichten, oder vielmehr doch, indirekt reagierte ich auf die letzte; sie war einer der Gründe, in die ich das diffuse Verlangen, nach Amsterdam zu reisen, kleidete.

4
    Eine Frau im roten Kostüm bringt mich mit einem Elektrocaddy zu einem Warteraum, wo ich mich bis zum Anschlussflug nach Amsterdam aufhalten kann. Ich sehe mich um. Müde und benommen, aber trotzdem auf eine merkwürdige, unausgegorene Weise aufmerksam. Ich habe das Gefühl, dass jemand hier etwas für mich zurückgelassen hat.
    »First time in Germany, Sir?«
    »Yes.«
    Manchmal kommt die Wahrheit einer Lüge sehr nahe. Mir ist alles vertraut, obwohl ich noch nie da war. Ich habe mir die Stimmen und Gesichter der Leute hier vorgestellt. Die Realität ist jedoch ganz anders als meine Fantasie: Die Menschen hier lachen. Sie küssen sich sogar. Mein Blick fällt auf ein Liebespaar, das in der Flughafenhalle, inmitten der Menge, einfach nur zusammen ist. Die beiden fahren sich durchs Haar, streichen sich über die Kleider. Die Flughafenangestellte steuert in einem eleganten Bogen geräuschlos um sie herum.
    »Only two hours, Sir, then you’re off again«, sagt sie, als der Wagen stehen bleibt. Sie zeigt auf einen Stuhl, bringt mir eine Tasse Kaffee und fährt wieder weg.
    Zwei Stunden in Deutschland und noch eine im Luftraum darüber, dann bin ich da. Ich weiß gar nicht, was ich die ganze Zeit machen soll, und dabei habe ich mir so viel vorgenommen. Esist alles zu groß, zu viel, zu unübersichtlich. Bestimmt schaffe ich es nicht mal, auch nur eine Sache zu erledigen, einen Auftrag abzuhaken. Die Überbleibsel eines Lagers besichtigen, mir ein Mahnmal ansehen, vielleicht einem alten Feind einen Uppercut verpassen. Meine Gedanken entgleiten mir. Die Vergangenheit oder besser gesagt das, was ich im Laufe der Jahre daraus gemacht habe, stimmt nicht mit dem überein, was ich hier sehe. Bei den Gesichtern, die so anders aussehen als in meinen Träumen, bleibe ich schon hängen.
    »Final call for Mister Peter Warne, travelling to New York.«
    Ich möchte die Person vorbeirennen sehen, die diesen Namen trägt, kann den Kopf jedoch nicht schnell genug heben. Als ich hochblicke, steht eine Dame von der Fluggastbetreuung vor mir. Sie sagt: »Flying to Amsterdam, Sir?«
    »Yes.«
    »We are sorry for the delay.«
    Das war mir gar nicht aufgefallen.
    Wir sausen zum Terminal 1/D.
    »Do you live there, Sir?«
    »No.«
    Wieder weiß ich nicht, ob das wahr ist oder gelogen. Könnte vielleicht auch beides stimmen?

5
    Auf der letzten Etappe meiner Reise, das Ziel schon vor Augen, schöpfe ich eine Erinnerung an meinen Geburtsort nach der anderen aus dem Brunnen meines Gedächtnisses. Ich baue das Bühnenbild auf und stelle mich selbst mitten hinein. Erst bin ich nur ein Statist in einer Stadt aus Pappe, doch bald schon spüre ich die Gehwegplatten unter meinen Füßen, höre die Händler auf dem Albert-Cuyp-Markt

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