Der blaue Vogel kehrt zurück
doch ich spüre ein Zittern, das von meiner Lunge durch den Hals zum Gehirn hochsteigt, und kann mich absolut nicht mehr konzentrieren. Jahre vergehen im Bruchteil einer Sekunde, Dutzende von Besuchern drängen sich in meinem Kopf. Ich schicke sie weg, alle, jeder muss raus hier. Ich arbeite wie ein Besessener, um den Laden leer zu räumen. Dann, völlig erledigt, erblicke ich zwischen dem liegen gebliebenen Krempel ein Bilderbuch. Bilder, die sich unter dem nachlassenden Druck meines Daumens in Bewegung setzen.
Nana!
Es ist Nana auf einem Motorrad.
Nana auf meiner alten Indian – der Beiwagen ist verschwunden, aber ich erkenne den Indianerkopf auf dem Tank. Nana! Es sieht aus, als wäre sie auf der Flucht vor ihren eigenen Locken. Alles ist in Bewegung, doch sie kommt kaum voran. Ein Lächeln zeichnet sich auf ihrem Mund ab. Langsam schließen sich ihre Augen – sie hält sie bebend geschlossen. Ich brauche sie nicht zu warnen. Sie fährt durch ein Land ohne Gefahren.
Ich drehe den Kopf etwas weiter nach hinten.
Da ist Kat – nein, Moment, nicht so schnell; das ist nicht Kat, es ist Mama, ja, ich sehe dich tanzen, Mama. In deinem Seidennachthemd und mit Nanas Ohrringen, die bei jedem Schritt funkeln. Immer wieder im Kreis, im Takt des stampfenden Herzschlags der Erde, du verschwimmst, die Schmuckstücke lösen sich und schießen wie kleine Kometen zurück in den Himmel … Es sind zwei, drei … Ja, drei Sterne in einem unendlichen, leeren Weltall.
Sehe ich das richtig? Bin ich wirklich da? Ist es das? Ach Gott, wie gern würde ich hierbleiben.
Alles ist atemberaubend schön. Da, es kommen ja immer mehr dazu, mehr goldene und silberne Sterne; eine Explosion von Kristallen, eine Unzahl blendender Diamanten. Sie berühren einander. Ich spüre es, höre es. Langsam schwillt das Geräusch an, das Knirschen geht in klagendes Krächzen über.
Es kann nicht mehr lange dauern, bevor die Dunkelheit vor so viel strahlendem Licht weicht.
Danksagung
Ans Kupper-Steenstra und Professor Jan Heimans dafür, dass sie mich in der Abteilung für Neurologie des VU Medisch Centrum in Amsterdam an ihren Erfahrungen haben teilhaben lassen.
Ger Walters für die Auskünfte über die Koninklijke Asscher Diamant Maatschappij NV und den wunderschönen Bildband über den Cullinan.
Flip Tuinder, Diamantschleifer in Amsterdam, für seinen fachkundigen Rat.
Michèle Hutchison, meiner Lektorin, und all ihren Kollegen bei De Arbeiderspers für ihren Beitrag zum Erscheinen dieses Buches.
George David fürs Lesen des Manuskripts.
Lourens Kluitenberg für seine Gastfreundschaft in Almería.
Jacques Visser für seine Aufmerksamkeit und Sorgfalt.
C. C., meiner bescheidenen brasilianischen Quelle, für ihre wertvolle Unterstützung.
Willem Schoonen fürs Gegenlesen früherer Fassungen und für seine Freundschaft.
Liddie Austin, 20 Karat, VVS.
Anmerkungen
25, 22 Goi (hebr. Nichtjude).
32, 4 Schabbat (hebr.): im Judentum der siebte Wochentag, ein Ruhetag, an dem keine Arbeit verrichtet werden soll. Er dauert von Sonnenuntergang am Freitag bis zum Eintritt der Dunkelheit am Samstag.
70, 24 Kippa (hebr.): Kopfbedeckung frommer Juden.
81, 15 Schul (jidd.): Synagoge.
81, 21 Leviten : einer der zwölf Stämme Israels, die dem Alten Testament zufolge von den Söhnen Jakobs abstammen. Bis heute bilden die Leviten eine eigene religiöse Gruppe im Judentum.
81, 21 Cohen : Untergruppe des Stammes der Leviten. Ihnen oblag im Altertum der Tempeldienst.
81, 23 Thora (hebr. Lehre, Unterweisung): Der erste Teil der hebräischen Bibel. Im christlichen Kontext wird von den »Fünf Büchern Mose« (Pentateuch) gesprochen.
82, 13 Peies : Schläfenlocken (der orthodoxen Juden).
83, 8 Sch’ma Israel : das Höre-Israel-Gebet, das wichtigste jüdische Gebet, in dem das Bekenntnis zur Einzigkeit Gottes beschworen wird.
91, 11 Das Einreißen der Kleidung ist ein jüdisches Ritual. Es wird als Zeichen der Trauer zwischen dem Eintritt des Todes und der Beerdigung vollzogen.
91, 12 Nach dem Begräbnis wird ein Kondolenzmahl abgehalten, traditionellerweise bestehend aus Bagels und hartgekochten Eiern.
91, 30 Cahn, Ernst : Ernst Cahn war ein aus Deutschland stammender jüdischer Kaufmann und Mitinhaber des bekannten Eissalons Koco in Amsterdam. Um ihn und seinen Kompagnon Alfred Cohn formierte sich nach der deutschen Besatzung ein Teil des jüdischen Widerstands. Ernst Cahn wurde am 3. März 1941 von den Nationalsozialisten erschossen.
118, 18
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