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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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daß ich mich mit eigenen Augen von den jüngsten Entwicklungen überzeuge, und ich stimmte um einer genauen Diagnose willen zu. Also. Statt zu meiner zeitweiligen Unterkunft zu gehen, ging ich in das Schlafzimmer des Sekretärs, weil es dem Wirtshaus gegenüberliegt und sein Fenster in die gleiche Richtung geht, so daß man über die Baumkronen hinweg deutlich auf den Balkon von Herrn Dulnikkers Zimmer sehen kann. Um ungefähr zwölf Uhr sechsunddreißig bemerkten wir von unserer Stellung aus, daß sich jemand in der Umgebung von Herrn Dulnikkers Zimmer bewegte, und wenige Minuten später trat Herr Dulnikker im Pyjama auf den Balkon hinaus und dehnte sich im Mondlicht ...«
    Professor Tannenbaum schwieg geheimnisvoll.
    »Frau Dulnikker!« fuhr er nach einer kleinen Weile fort, »ich habe allen Grund zu glauben, daß die erschreckende Enthüllung, die ich sogleich machen werde, unerwünschte Wirkungen auf Ihre weibliche Seele haben wird, daher bitte ich Sie: befreien Sie mich von der Pflicht, genau zu sein.«
    »Nein, nein, Professor Tannenbaum«, protestierte Gula, »ich muß alles erfahren!«
    »Wie Sie wünschen, Madame, aber ausschließlich auf Ihre Verantwortung. Also. Herr Dulnikker band seinen roten Bademantel an das Balkongitter und begann an ihm hinunterzuklettern. Als er das Ende seines Bademantels erreichte, zog er unter seinem Arm einen großen Regenschirm hervor, mit dem als Fallschirm er sich in den Garten hinunterließ.«
    »Mein Gott im Himmel!« stöhnte die Frau. »Ist Dulnikker Schlafwandler?«
    »Das liegt nicht außerhalb der Möglichkeit.«
    »Was geschah dann?«
    »Eine Stunde und zwanzig Minuten lang sahen wir Herrn Dulnikker nicht, da die übermäßige Vegetation seine ohnehin unklare Gestalt vor unserer Sicht verbarg. Jedoch um zwei Uhr morgens tauchte er unerwartet auf dem Balkon vor seinem Zimmer wieder auf, knüpfte seinen Bademantel vom Balkongitter, und nach einem weiteren Sichdehnen wie dem ersteren verschwand er hinter der Tür.«
    Eine kurze Stille bezeichnete das Ende von Professor Tannenbaums Bericht.
    »Mein lieber Professor«, bat Gula den Leibarzt der Parteihierarchie, »retten Sie meinen Gatten! Wir würden das allergrößte opfer bringen, wenn er nur wieder gesund werden könnte! Was kann man für ihn tun?«
    »In Amerika hat man solche geistigen Verwirrungen erfolgreich mit Elektroschock behandelt. Gibt es irgendeinen Weg, Herrn Dulnikker für eine Propagandatour auf eine lange Reise in die USA zu schicken?«
    »Über solche Fragen müssen wir uns mit Zev beraten«, sagte Gula vorsichtig. Beide stürzten zum Haus des Schuhflickers und trafen den Sekretär angezogen und fertig an, als hätte er sie schon erwartet.
    »Ich habe eine andere Idee«, erklärte er, »vielleicht können wir ihn auf zwei Monate in die Schweiz schicken?«
    »Schön«, meinte die Frau, »aber wer wird sich dort um ihn kümmern?«
    »Gula Dulnikker«, informierte sie der Sekretär, »Sie wissen, daß Sie sich in einer solchen Situation auf mich verlassen können!«
    »Schön, aber wie bekommen wir ihn ohne Skandal aus diesem verdammten Dorf?«
    »Es bleibt nur eine Wahl«, meinte Zev, »wir müssen Dulnikker vor ein fait accompli stellen. Ich werde heimlich seine wichtigsten Sachen packen und den großen Koffer in den Kofferraum des Wagens stellen. Dann werden wir Dulnikker unter dem Vorwand einer Rundfahrt durch die Umgebung in den Wagen bringen und geradewegs zur Überlandstraße fahren. Dulnikker wird unser heiliges Komplott erst entdecken, wenn er weit genug auf seinem Heimweg ist, und dann wird er bestimmt sein Schicksal hinnehmen.«
    Alles lief planmäßig. Professor Tannenbaum erklärte den beiden Würdenträgern die Realitäten der Situation. Ohne die geringste Überraschung über seine Enthüllung versicherten sie ihm, sie würden den Kranken zwischen sich setzen und seine Aufmerksamkeit fesseln, bis die Gefahrenzone verlassen war. Während des Frühstücks stahl sich der Sekretär in die Kammer seines Herrn und Meisters, wo er mit geübter Dienstfertigkeit die wichtigsten Effekten in den großen Koffer packte. Er ließ ihn in den Garten hinunter fallen und versteckte ihn dann im Kofferraum des Wagens, der mit der Pünktlichkeit eines militärischen Manövers vor den Eingang des Hauses glitt. Zev beschloß, ihre Rechnung bei Elifas Hermanowitsch nicht zu bezahlen, um nicht Malkas Mißtrauen zu wecken. Er plante, alles Fällige, erst nachdem alles vorüber war, durch Schultheiß zu begleichen.

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