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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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eigentlich? Ein ganzes Pfund verlangen? Und was kommt als nächstes? Es macht mich wirklich bös! Entschuldigen Sie, Herr Spiegel, daß wir gestört haben. Empfehlungen an Ihre Gnädige.«
    Die Abordnung besuchte neun weitere Häuser. Aber das Paar hatte kein Glück, und es kehrte in das Wirtshaus zurück.
    »Sie geben nichts«, klagte Genossin Hassidoff. »Keiner will ein Bild kaufen. Die Leute sind sehr hartherzig, Frau Dulnikker .«
    »Ich heiße Gula«, erwiderte die Genossin enttäuscht. Aber der absolute Fehlschlag diente nur dazu, sie anzuspornen, ihr Projekt in einer anderen Dimension zu erneuern, und ohne zu zögern wandte sie sich an die Zwillinge, damit sie das Versagen ihrer Mutter sühnen konnten.
    Gula eröffnete das Spiel mit einem volkstümlichen Schachzug: »Sagt mir, Majdudl und Hajdudl, seid ihr mit Papa und Mama zufrieden?«
    »Je nachdem.«
    »Jetzt stellt euch einen Augenblick vor, daß es viele Kinder gibt, die keinen Papa und keine Mama haben. Wollt ihr, daß auch sie glücklich sind?«
    »Nein«, erwiderte Majdud mit Seniorat. »Warum sollen sie glücklich sein?«
    Schließlich war Gula Dulnikker eine Frau mit klarem Kopf. Wortlos ging sie zum Wagen hinaus, weckte den Chauffeur, der am Lenkrad ein Nickerchen machte, und zog mit seiner Hilfe acht Sammelbüchsen aus dem Kofferraum. Sie wählte zwei unzerbeulte aus der Masse, die ihr durch den ganzen Staat wie soundso viele treue Lieblingstiere folgte, und kehrte mit den zwei zu den Zwillingen zurück.
    »Kommt, Kinder«, sagte sie zu ihnen, »sekkieren wir die Großen ordentlich. Spielen wir >Geldsammeln<; es ist ein Riesenspaß ...«
    Also sprach Gula und grub ein zweites Quittungsbuch aus den Tiefen ihrer Handtasche. Es war kleiner, auf Straßensammlungen abgestimmt. Sie übergab der Jugend alles Werkzeug des Gewerbes.
    Diesmal brachte Gula Dulnikker nicht erst lange Anweisungen zu geben, denn die Zwillinge - trotz ihrer absoluten Isolierung von allen übrigen Jugendlichen des Landes - waren mit einer natürlichen Neigung aller Kinder der Nation gesegnet: Geld bei ausweichenden Passanten zu sammeln. Majdud und Hajdud verließen das Wirtshaus gegen Abend, und es gelang ihnen in kurzer Zeit, die unschuldigen Dörfler zu terrorisieren. Sie versteckten sich in einiger Entfernung voneinander hinter den Linden und fielen einer nach dem anderen in getrennten Angriffen plötzlich über die betrunkenen Bauern her. Blitzschnell hielt einer der beiden ihnen die Quittungen mit dem Singsang unter die Nase: »Der Papa is’ tot! Der Papa is’ tot! Onkel, gib wenigstens zehn Heller für die armen Waisenkinder!«
    Die Dörfler ergründeten den Zweck des Projektes nicht ganz und versuchten, den zähen Fratz abzuschütteln. Aber der kleine Sturmtruppler hatte inzwischen schon die Hand in die Tasche seines opfers gesteckt und ihn seines meisten Kleingeldes beraubt. Nach der bedingungslosen Kapitulation, zu der ihn die rauhe Wirklichkeit gezwungen hatte, erntete jeder Spender die warmen Worte des Lümmels:
    »Du bist prima, Onkel. Danke im Namen der Ingenieurin, die auch ein großes, dickes, altes Waisenkind ist.«
    Das jedoch war noch nicht das Ende des qualvollen Alptraums des verwirrten Spenders. Einige ermutigende Schritte vorwärts, und derselbe Lümmel stürzte aus der
    Dunkelheit und klapperte mit seiner Büchse zweimal so laut vor der langen Nase des Opfers.
    »Kind!« donnerte der geduldige Bauer. »Gerade vor einer Minute habe ich dir schon zehn Heller gegeben!«
    »Das hast du dem Majdud gegeben«, pflegte dann der kleine Sammler liebenswürdig zu erwidern. »Ich bin Hajdud.«
    Spät abends kehrten die Zwillinge zu ihrem Stützpunkt zurück, müde von ihrem langen Kampf, aber glühend vor Begeisterung über das ungeheure Abenteuer, das sie der gutherzigen dicken Tante verdankten. Mit gerechtem Stolz übergaben sie Gula zwei vollgestopfte Sammelbüchsen.
    »Frau Ingenieur«, erklärten sie, »da ist ein Vermögen für dich drin, zum Waisenkindermachen .«
    Nachdem die Büchsen geöffnet waren, wurde es allerdings klar, daß der Großteil der Münzen längst aus dem Verkehr gezogen war. Das schreckte jedoch die entschlossene und praktische Aktivistin nicht davon ab, als Zeichen ihrer Anerkennung den dankbaren Zwillingen eine zusätzliche Zuckerstange zu schenken. Gulas Überraschung über die Menge der Beute, die sie gemacht hatten, hätte sich verdoppelt oder vielleicht vervierfacht, hätte sie vermuten können, daß Majdud und Hajdud gelungen war,

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