Der Blaumilchkanal
Präsidialtisch unter den zunehmend kraftvollen Hammerschlägen des Vorsitzenden zusammen. Aus den Splittern erhob sich Dulnikker, das Gesicht rot wie eine Rübe, aber sein staub- und wuterfüllter Kehlkopf vermochte keinen einzigen klaren Laut hervorzubringen. Zev sah, daß nur schnelles Handeln seinen Herrn und Meister vor nicht wieder gutzumachendem Schaden bewahren konnte.
»Aber Herr Gurewitsch«, fragte er in das lange Schweigen hinein, »liegt denn so viel daran, wer die erste Reise unternimmt?«
Das Schweigen verdichtete sich. Zemach Gurewitsch kletterte vom Tisch herunter und grübelte eine Weile vor sich hin.
»Das ist etwas anderes«, sagte er schließlich. »Soll also Salman als erster fahren.«
Eines Morgens fuhr also der Barbier im Lastwagen der Tnuva ab, nachdem man eine Ladung Baumaterial in Hassidoffs Hof abgeladen hatte. Salman war der Gelegenheit entsprechend in einen tadellosen schwarzen Anzug gekleidet, und sein Gesicht strahlte vor Freude. Alle Dorfbewohner hatten sich versammelt, um ihn zu verabschieden, mit Ausnahme des Schuhflickers, dessen kleinliche Augen es nicht ertragen konnten, die Aufregung der Dorfbewohner über >die Fahrt des Barbiers de facto, um ihr Geld auf blöde Stempel zu verschwenden<, mitanzusehen. Der Schächter wünschte Hassidoff im Namen des Provisorischen Dorfrats eine erfolgreiche Reise und murmelte sogar einen geräuschvollen Segenswunsch, weil er, der Schächter, vom Vorsitzenden zum
Geschäftsführenden Bürgermeister ernannt worden war. Es stimmte, der Barbier würde nur vierundzwanzig Stunden fortbleiben: Er solle am nächsten Tag mit der Zementladung zurückkommen. Dennoch übergab er sicherheitshalber die Zügel der laufenden Geschäfte dem Schächter - einschließlich eines versiegelten Briefumschlags, den der Tnuva-Chauffeur für >Den Bürgermeister gebracht hatte. Der Barbier hatte ihn wegen seiner angeborenen Abneigung gegenüber versiegelten umschlägen nicht zu öffnen gewagt. Der große Lastwagen fuhr unter lauten Hochrufen der schreienden Volksmenge an, während der Barbier immer wieder den Kopf aus dem Fenster der Fahrerkabine hinausstreckte, um den allmählich fernerrückenden Feiernden zuzuwinken. Nach zwei Windungen der krummen Straße ließ Salman Hassidoff den Wagen anhalten und half seiner Frau aus ihrem Versteck hinter den dicken Planen der Ladefläche heraus und auf den Sitz neben sich im Fahrerhaus, damit sie es für den Rest ihrer langen Reise bequem hätte.
Der Barbier und Abgesandte kehrte am nächsten Tag nicht nach Kimmelquell zurück. Ebensowenig kehrte er am folgenden, noch am dritten Tag zurück. Dem Schächter gelang es jedoch durchaus, seine Pflichten als Geschäftsführender Bürgermeister getreulich zu erfüllen, und er verhinderte es, daß unerwünschte Aufregungen das Dorf in Hassidoffs Abwesenheit erschütterten, indem er die verzweifelten Bauern überredete, heimzugehen und zu versuchen, sich selbst zu rasieren. Es kann zu seinen Gunsten gesagt werden, daß Ja’akov Sfaradi seine vorübergehende Amtsgewalt zu keinem persönlichen Vorteil ausnützte und sich nicht in den alltäglichen Gang des Dorfes einmischte, mit Ausnahme der äußerst bescheidenen Angelegenheit, dreimal täglich elf Dorfbewohner in sein Haus zu beordern, um ein regelmäßiges
Quorum für die Gebete zu sichern, solange der Barbierladen geschlossen blieb.
Vier Tage nach seiner Abfahrt erschien der Lastwagen der Tnuva wieder im Dorf und parkte direkt neben Hassidoffs Hof. Die Passanten, die sich schnell ansammelten, waren Zeugen einer unvergeßlichen Szene, als die Frau des Barbiers aus der Fahrerkabine herauskletterte und ein goldgerahmtes Ölgemälde mit sich schleppte, das kunstvoll gemalt alle möglichen bunten Früchte und eine Violine und eine schön gebundene Bibel zeigte. Die kühneren unter den Neugierigen schlichen sich an das blendende Wunder heran und fragten den Barbier, was für ein Vermögen ihn das gekostet habe, aber Frau Hassidoff antwortete auf der Stelle, daß das ihre und ihres Mannes Privatangelegenheit sei.
Natürlich konnte jedoch eine Vollsitzung des Dorfrats diese >Affäre< in seiner Tagesordnung nicht übergehen und mußte daher auf Anweisung des Ingenieurs eine neue Kommission, untersuchungsausschuß genannt, einsetzen, die folgende Mitglieder umfaßte: Gurewitsch, Kisch, Sfaradi, Hassidoff und Hermanowitsch.
Der Ausschuß studierte die nicht näher aufgeschlüsselte Rechnung zwecks Deckung seiner Reisespesen, die der
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