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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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spöttelte der Sekretär. Dulnikker war jedoch über solche Kleinigkeiten weit hinausgewachsen, und er widmete der Unterweisung des Wirts eine lange Zeit. Elifas Hermanowitsch konnte keinen angemessenen Ausdruck für seinen tiefempfundenen Dank finden.
    »Herr Ingenieur«, er drückte dem Staatsmann die Hand, »wir werden eine Gans für Sie braten.«
    »Danke, Genossen, aber ich muß euch bitten, mich bei meiner Diät zu lassen.«
    »Das wird nichts ausmachen. Morgen schicke ich die Gans mit Malka auf die Weide hinaus.«
    »Danke, aber ich will wirklich nicht lästig fallen .«
    »Wieso denn, Herr Ingenieur? Ist es leichter, jede Nacht zu der strohgedeckten Hütte hinunterzuklettern? Nein, nein, Malka soll nur ruhig zu Ihnen auf die Weide hinauskommen.«
    Dulnikker war wie vom Donner gerührt und brachte kein Wort heraus. Noch lange, nachdem der Wirt gegangen war, blieb er auf seinem Stuhl wie festgenagelt sitzen.
    »Warum sind Sie so erstaunt, Dulnikker?« brach Zev schließlich das Schweigen und flüsterte spitz: »Die Leute beginnen eben politisch zu reifen.«
    »Das ist keine Reife.« Dulnikker starrte glasig ins Leere. »Das ist Sodom und Gomorrha!«
    Es stand jedoch außerhalb menschlicher Kräfte, die Richtung, in der die Dinge liefen, zu ändern. Am nächsten Tag merkte Dulnikker auf seinem Heimweg von der Weide, daß kein Mensch auf den Feldern draußen war. Der Staatsmann konnte das Rätsel nicht ergründen, bis sie ins Dorf zurückkamen, wo es sich allerdings schnell löste. Die Leute standen die ganze Straße entlang in kleinen Gruppen beisammen oder saßen in eifriger Beratung an den Wirtshaustischen. Es war leicht zu sehen, was die Gärung verursacht hatte, denn auf der weißen Wand des Lagerhauses stand mit roter Kreide in gigantischen Buchstaben geschrieben:
    D er kahle B arbier unterschreibt die S teuer -V orschreibungen !!!
    Dulnikker studierte sorgfältig die krummen Buchstaben, deren mehr als einer auf dem Kopf standen, und sein Gesicht wurde heftig purpurrot. ohne sein Hirtenkostüm zu wechseln, stürmte der Staatsmann in die Werkstatt des Schuhflickers.
    »Was hat Sie nur einen solchen Mist an die Wand schreiben lassen?« bearbeitete der Staatsmann Gurewitsch. Dieser stand jedoch in einer sicheren Stellung verschanzt, von der aus er ruhig erklärte:
    »Ich hab’ es nicht geschrieben, der Papa hat’s getan.« Dulnikker drehte sich um und trat auf den bleichsüchtigen Alten zu. Dieser entwich samt seinem Schemel in seinen Zufluchtswinkel.
    »unmöglich, Herr Ingenieur«, kreischte der ältere Gurewitsch, »ich kann keine einzige Stunde weniger arbeiten!«
    »Ich bin nicht gekommen, um über Sie zu diskutieren«, explodierte der Staatsmann, »ich bin gekommen, um Ihren Erstgeborenen davon abzuhalten, sich mit seiner wahnsinnigen Herrschsucht zu ruinieren!«
    »Entschuldigen Sie, Herr Ingenieur!« protestierte der Schuhflicker. »Sie haben uns gesagt, daß wir uns schriftlich und mündlich auf die Wahlen vorbereiten müssen. Was ist also schon falsch daran, wenn ich den Papa bitte, für mich auf die Wand zu schreiben, daß der Barbier die Steuervorschreibungen unterschreibt? Er unterschreibt sie doch, oder nicht?«
    »Zugegeben. Er unterzeichnet sie. Aber warum haben Sie >der kahle Barbier< geschrieben?«
    »Weil er wirklich kahl ist!« Der Schuhflicker war wütend. »Herr Ingenieur, Sie haben uns gesagt, daß wir mit ehrlichen, anständigen Mitteln kämpfen sollen. Schön, das akzeptiere ich. Aber verzeihen Sie schon, wenn ich frage: Kann ich denn nicht die nackte Wahrheit feststellen? Wenn Salman überhaupt Haare hätte, dann wäre das ein Argument für Sie - aber er hat nicht eine einzige Haarsträhne, Herr Ingenieur. Was wollen Sie also?«
    »Ihr habt unrecht, Genossen«, murmelte Dulnikker etwas verwirrt. »Eines Tages werde ich euch erklären, warum.«
    Der Staatsmann verließ die Werkstatt. Plötzlich fühlte er sich sehr müde und war nicht sicher, warum Gurewitsch unrecht hatte. In tragischem Ton bemerkte Dulnikker zu seinem Sekretär:
    »Genossen! Im Kampf um die Gunst der Massen gibt es kein Halten!«
    Seine Überlegung wurde schnell bestätigt durch die übergroße Schrift, die auf der zweiten Wand des Lagerhauses erschien:
    S eit wann kann der lahme S chuster S chreiben ?
    Von der Zeit an redeten der Schuhflicker und der Barbier nicht mehr miteinander, außer in ihrer offiziellen Eigenschaft im Dorfrat und in dessen Ausschüssen. Der Barbier verkündete öffentlich, daß er und seine

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