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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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identifizierte Dulnikker Zev nur an dessen Stimme, denn sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit grün und blau.
    »Oh, mein Gott!« Dulnikker sprang aus dem Bett. »Was ist geschehen, mein Freund?«
    Das sekretärähnliche Geschöpf brach auf dem Bett zusammen und klagte seinem Herrn und Meister unter ständigen Schmerzensschreien sein Leid. Auch Zev hatte ein Mittagsschläfchen gehalten, als plötzlich die Tür seines Zimmers im Haus des Schuhflickers aufsprang, eine übermenschliche Kraft ihn aus dem Bett zog und grausame Hiebe auf sein Gesicht niederhagelten, bis das Blut floß.
    »Ganz fraglos ein Akt der Brutalität«, stellte der Staatsmann fest.
    »Zuerst verstand ich gar nichts«, jammerte Zev. »>Ich will dir beibringen, Dorfmädchen zu verführen, du Schweinehunde, hörte ich durch die Hiebe hindurch, >jetzt werden wir ja sehen, ob du so ein Zuchthahn bleibst?««
    Zu seiner großen Überraschung spürte Dulnikker, wie sich seine Lippen zu einem behaglichen Lächeln verzogen. Es gelang ihm jedoch schnell, seine schadenfrohen Gedanken zu unterdrücken.
    »Mein Freund, das mußt du unbedingt dem Dorfpolizisten erzählen!«
    »Ich hab’ ihm ja die ganze Zeit gesagt, er soll um Gottes willen aufhören, mich umzubringen, aber es war nutzlos.«
    »Was?«
    »Sie haben richtig gehört«, heulte der Sekretär und bearbeitete die Matratze mit beiden Füßen. »Die Idioten hätten es nie gewagt, sich so zu benehmen, wenn Sie sie nicht verdorben und ermutigt hätten, frech zu werden!«
    »Eine Sekunde!« unterbrach ihn Dulnikker. »Zuallererst wollen wir einmal die Tatsache feststellen, daß die Schuhflickerstochter nicht von mir schwanger ist. Zweitens habe ich dich beizeiten gewarnt, mein Freund, dich vor unbedachten Abenteuern zu hüten, aber meine Worte waren ja bloß eine Stimme in der Wüste der Sünde.«
    Nach Zevs Ausbruch fühlte sich Dulnikker nicht länger verpflichtet, höflich zu sein.
    »In solchen Fällen« - er rieb sich die Nase mit dem Handrücken -, »in solchen Fällen kommt es häufig vor, daß der Mob den Verführer lyncht.«
    Der Sekretär lehnte sich an die Wand zurück, und sein Gesicht zuckte vor Angst.
    »Ja, mein Herr!« fuhr Dulnikker fort und ging auf und ab. »Wer immer unfähig ist, seine Neigung zu bezähmen, und ein Sklave seiner Lust wird, täte viel besser daran, seinen Ehrgeiz aufzugeben, dem Volk und der Partei zu dienen. Große Staatsmänner wie Julius Cäsar, alle Habsburger, Zvi Grinstein und andere stürzten einfach wegen ihrer unverantwortlichen sexuellen Schwäche von ihrer hohen Stellung. Das Volk, Genossen, das Volk weiß alles! Du bist gewogen und für zu leicht befunden worden, Zev, mein Freund.«
    Der entnervte Sekretär erhob sich, die Finger noch immer in die Ohren gestopft, und brüllte:
    »Genug! Genug, sag’ ich, Dulnikker! Ich bin in der schlimmsten Situation, und alles, was Sie tun, ist, mir einen Vortrag halten!«
    Genau in diesem Augenblick brach zwischen den Bauern im Schankraum ein Wortgefecht aus - etwas heutzutage sehr
    Übliches -, und ihre lauten Schreie drangen in Dulnikkers Zimmer. Zev schaute verwirrt wie ein gehetztes Tier um sich, das die Jäger einkreisen. Er stürzte auf den Balkon hinaus, kletterte über das Gitter und floh stöhnend und hinkend auf die Straße.
    Am Abend wußte jedermann, daß der Krankenwärter verschwunden war.
    Die Sache war mehr als undurchsichtig.
    Der Wächter des Lagerhauses war der letzte gewesen, der den Krankenwärter gesehen hatte, als dieser in das Lagerhaus stürzte und schnell einen Laib Brot, eine Flasche Zitronensaft und eine >extrastarke< Taube kaufte. Der Wächter war sehr erschrocken über die Erscheinung des jungen Gespenstes und atmete erst leichter, nachdem Zev die Waren in seine gelbe Aktenmappe gestopft und auf torkelnden Beinen in die Wälder davongeeilt war. Nachher wurde das verzerrte Gesicht des Krankenwärters von niemandem mehr gesehen. Der Polizeichef eröffnete sofort eine untersuchung, um etwas Licht auf den ursprung der dem Vermißten zugefügten Verletzungen zu werfen, da er jedoch keinen anderen verläßlichen Zeugen für den Überfall als sich selbst fand, war Mischa gezwungen, die fruchtlose Suche aufzugeben.
    Die Dorfbewohner diskutierten die Affäre in ihren üblichen kleinen streitlustigen Gruppen gründlich. Die meisten von ihnen behaupteten, die Flucht des Krankenwärters sei übereilt und völlig unnötig gewesen angesichts der Tatsache, daß der Zustand der Schuhflickerstochter nicht

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