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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Anhänger eher in zerrissenen Schuhen herumgehen würden, als auch nur einen Fuß auf die Schwelle des Schuhflickers zu setzen. Gurewitsch tat einen nicht weniger drastischen Ausspruch und vermied die Umgebung des Barbierladens. Ja, er ließ sich sogar einen Bart wachsen und freundete sich mit dem Schächter an. Was
    Ja’akov Sfaradi selbst betraf, forderte er angesichts des verweltlichten Charakters des Dorfes immer nachdrücklicher religiöse Observanz. So schrieb er zum Beispiel an alle Türpfosten: >Wie wär’s mit einer Mezuza?<, und am Ruhetag wanderte er von Tür zu Tür und bestürmte die Bauern, auch an Wochentagen nicht mehr zu rauchen. Kurz gesagt, Ja’akov Sfaradi verbarg vor der Öffentlichkeit nicht seinen Wunsch, in den Rat wiedergewählt zu werden. In diesem Geiste hetzte er die Bevölkerung leise gegen die ungläubigen Abgeordneten auf, indem er sie beschuldigte, sich in solchen Mengen mit geschmuggeltem Schweinefleisch vollzustopfen, daß keines für die anderen Dorfbewohner übrig blieb. Natürlich tat der Schächter das überall taktvoll und höflich, außer in den Häusern der >Dreitürniks<. Hier erlaubte er sich selbstverständlich einen lauteren, energischeren Ton, wenn er verlangte, daß sie den Glauben so fromm wie möglich einhielten.
    Dulnikker folgte der überraschenden Aktivität mit gemischten Gefühlen. »Jeder Kampf ist an sich etwas Wunderbares«, bemerkte der Staatsmann zu seinem Sekretär, »trotzdem würde ich etwas weniger persönliche Streitereien und ein bißchen mehr Selbstlosigkeit im öffentlichen Dienst bevorzugen.«
    »In dem Fall, Dulnikker«, meinte Zev, »ist endlich die Zeit für uns gekommen, die Dorfleute zu verlassen. Lassen Sie doch diese Idioten allein miteinander spielen. Ich schwöre, wir sind ihnen allmählich im Weg.«
    »Mein Freund Zev!« protestierte Dulnikker, »wie kannst du nur so leichtherzig über so qualvolle Erscheinungen sprechen?«
    »Schön.« Der Sekretär erblaßte. »Nennen wir es also: die Geburtswehen des Konsolidierungsprozesses.«
    In jeder Woche ereigneten sich Dinge, die in der ganzen Geschichte Kimmelquells beispiellos waren. Der Barbier brach das ungeschriebene Gesetz des Dorfes:
    Salman Hassidoff fuhr nach Tel Aviv.
    Dieser revolutionären Handlung waren viele Diskussionen vorangegangen. Zunächst einmal fuhr der Barbier in seinem Kommunalgefährt zu einem Besuch zu Dulnikker, der in einiger Entfernung von seinem Sekretär im Gras ein Sonnenbad nahm. Hassidoff unterbrach es mit seiner verzweifelten Bitte.
    »Herr Ingenieur, nur Sie können mir helfen!« jammerte der Barbier. »Die Wahlen nähern sich, und ich sehe, daß der lahme Schuhflicker alles besser macht, als ich es kann. Ich war ein Narr, die Steuervorschreibungen zu unterzeichnen, weil sie jetzt alle Angst haben, daß ich auch die übrigen besteuern werde. Daher dachte ich, vielleicht sollten wir die Steuer aufheben, bis die Dinge ausgebügelt sind?«
    Dulnikker war böse, daß er mitten in seinen stillen Überlegungen über das Herumhüpfen der drolligen Kälber gestört wurde, dennoch empfand er gleichzeitig etwas Mitleid mit dem kleinen Mann, der meinte, die Welt würde zusammenstürzen, wenn er nicht zum Bürgermeister wiedergewählt würde.
    »Es ist unethisch, eine Steuer aufzuheben, um die Wähler für sich zu gewinnen«, erwiderte er dem Barbier, ohne den Kopf aus den entspannenden Sonnenstrahlen zu heben. »Sie können sie höchstens ein bißchen beschneiden. Aber in diesem Fall, Genossen, gehört es sich, hinzugehen und die Dinge in großen propagandistischen Zügen zu klären.«
    »Geht nicht, Herr Ingenieur«, blökte der Barbier. »Ich kann nicht allen hundertfünfzig Dorfbewohnern einzeln erklären, warum ich recht habe. Und ich könnte das alles nicht auf die Wände draufkriegen. Was also soll ich tun?«
    Dulnikker erhob sich ein bißchen und tätschelte Hassidoffs Schulter in einer Anwandlung von plötzlicher Zuneigung.
    »Herr Hassidoff«, rief er aus, »die ganze Zeit, in der ich unter euch lebe, habe ich noch nie eine so vernünftige Begründung gehört. Bravo!«
    Der Barbier schielte vor Verblüffung.
    »Nun ja«, murmelte er, stolz lächelnd, »manchmal kommt das bei mir vor.«
    »Jetzt hört aufmerksam zu, Genossen.« Dulnikker enthüllte das Motiv, das ihn aufgerüttelt hatte. »Es ist vernünftig, daß Sie sich nicht hundertfünfzigmal wiederholen wollen. Sie brauchen es nur einmal zu sagen, in Anwesenheit von hundertfünfzig Leuten. Daher, meine

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