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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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sie ein ganz klein wenig zu heben und durch einen ganz schmalen Spalt hindurchzublinzeln. Überdies hatten sich ihre Augenbrauen in Richtung Stirne verschoben, was ihr ein originelles, ausgesprochen erotisches Aussehen verlieh.
    Aber M hatte einen Drehtermin und mußte mit geschwollenen Augen ins Atelier fahren.
    Und nun geschah das Wunder. Es entfaltete sich bereits in der Straßenbahn, als M dem Schaffner ihre Fahrkarte überreichte und ihn dabei aus notgedrungen geschlitzten Augen von unten her ansah. Der Mann wurde totenblaß, fiel auf die Knie und flehte sie an, ihn zu heiraten, er würde sich umgehend nach Dienstschluß scheiden lassen. Noch bevor sie im Filmstudio ankam, hatte M insgesamt 24 Heiratsanträge bekommen, seriöse wie unsittliche. Als sie aus stieg, stockte der Straßenverkehr, denn sämtliche männlichen Passanten und Autofahrer blieben stehen und starrten ihr hinterher.
    Im Atelier fand das Wunder seine Fortsetzung. Kaum hatte M ihre Garderobe betreten, umwarben sie Produzent, Regisseur wie die Darsteller der männlichen Hauptrollen. Die Darstellerinnen der weiblichen Hauptrollen verfärbten sich gelbgrün vor Neid.
    Nach Beendigung der Dreharbeiten bot ihr der Produzent die Hauptrolle in seinem nächsten Film an, den er eigens für sie schreiben lassen wollte. M sollte darin eine Sexgöttin spielen, die einen Mann nur anzusehen brauchte, um ihn sofort seiner gesunden Sinne zu berauben. Es versteht sich von selbst, daß M unterschrieb.
    Auf dem Heimweg hatte sie das ungute Gefühl, daß es mit dem Wunder zu Ende ginge. Ihre Augenlider schwollen bereits ab, und ihre Augenbrauen kehrten allmählich an die vorgesehene Stelle zurück. Niemand drehte sich mehr nach ihr um, der Kontrolleur würdigte sie keines Blickes, und von den männlichen Fahrgästen bekam sie nicht einen einzigen Antrag. Sie sah aus wie alle anderen Blondinen, die kein Moskito gestochen hat.
    Trübselig saß sie in ihrem kleinen Zimmer und starrte mit weit geöffneten Augen vor sich hin. Da hörte M plötzlich einen leisen Summton, der wie Musik in ihren Ohren klang:
    »S-s-s-s...«
    Der Moskito umkreiste ihr Blondhaar.
    Schnell erhob sich M, schloß die Fensterläden ganz dicht, legte sich hofmungsfroh in ihr Bettchen und sandte noch rasch ein Stoßgebet zum Himmel, ehe sie einschlief.
    Und siehe da, als sie am Morgen erwachte, konnte sie die Augen kaum öffnen, weil ihre Lider so angeschwollen waren.
    Der Moskito hatte ganze Arbeit geleistet.
    M engagierte ein Expertenteam, bestehend aus einem Insektologen, einem Innenarchitekten und einem Maurer, deren Aufgabe darin bestand, die kleine Wohnung hermetisch abgeschlossen zu halten, um dem Moskito keine Chance zum Entwischen zu geben.
    *
    Seit Kleopatra hatte keine Frau eine so phantastische Karriere gemacht wie M. Ihre Filme spielten Millionen ein. Männer jeder Altersstufe gerieten bei ihrem Anblick in Raserei, in allen zivilisierten Ländern des Erdballs stieg die Scheidungsrate, Ehegatten verließen scharenweise ihre Frauen, weil keine von ihnen diesen gewissen Blick von unten her zustande brachte, so verheißungsvoll und erotisch wie jenen der Göttin.
    Auf dem Gipfel ihres Ruhmes heiratete M einen weltberühmten Dramatiker namens Arthur, und alle drei -M, Arthur und Moskito - gingen auf Hochzeitsreise rund um die Welt. Der Moskito, der mittlerweile auf den Namen Ginsberg hörte, begleitete die Expedition in einem wattierten Schächtelchen mit winzigen Luftlöchern und unter ständiger Obhut des Insektologen, der das kostbare Tier immer nur des Nachts in das Schlafzimmer der Göttin entließ. Und dort ereignete sich das Unglück. Ms Gatte verspürte im Halbschlaf ein unangenehmes Jucken am Nacken, schlug hin, und um Ginsberg war es geschehen. Unter Arthurs flacher Hand hauchte er sein unersetzliches Leben aus.
    *
    Zwar trennte sich M sofort von dem brutalen Mörder, aber das änderte auch nichts mehr daran, daß ihr Stern im Eiltempo versank und die Filmgesellschaft ihren Vertrag unverzüglich kündigte. Der selige Ginsberg hatte ihren göttlichen Sex-Appeal auf Nimmerwieder-stich mit ins Grab genommen.

    Jetzt kann ich das Geheimnis ja lüften: Heldin der Ginsberg-Saga ist niemand anderes als Marilyn, die angebetete Göttin von Hollywood, die in ihrem kurzen Leben alles erreicht hat, außer ein klein wenig Glück und Geborgenheit, Es heißt zwar, sie wäre in der ersten Zeit ihrer Verliebtheit mit Arthur Miller glücklich gewesen, aber auch dieses schöne Zwischenspiel endete

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