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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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anstrengen, um dort liegenzubleiben. Der Montblanc existiert, und er wird weiter existieren, bis er abgetragen ist oder ein Erdbeben ihn einebnet. Er unternimmt nichts, um den Verschleiß zu reparieren oder um sich wieder aufzurichten, wenn er umgeworfen wird, wie dies ein lebender Körper tut. Er gehorcht lediglich den gewöhnlichen Gesetzen der Physik.
    Soll damit geleugnet werden, daß Lebewesen den Gesetzen der Physik gehorchen? Gewiß nicht. Es gibt keinen Grund für die Annahme, daß lebende Materie die Gesetze der Physik verletzt. Es gibt nichts Übernatürliches, keine »Lebenskraft«, die den Grundgesetzen der Physik Konkurrenz macht. Es ist nur so, daß wir nicht sehr weit kommen, wenn wir die Gesetze der Physik unkritisch dazu benutzen, das Verhalten eines ganzen lebenden Körpers zu verstehen. Der Körper ist ein komplexes Gebilde, das sich aus vielen Bestandteilen zusammensetzt, und um sein Verhalten zu verstehen, müssen wir die Gesetze der Physik auf seine Teile, nicht auf das Ganze anwenden. Das Verhalten des ganzen Körpers wird sich dann als Konsequenz der Wechselwirkung der Bestandteile ergeben.
    Nehmen wir zum Beispiel die Gesetze der Bewegung. Wenn wir einen toten Vogel in die Luft werfen, so wird er eine elegante Parabel beschreiben, genauso, wie er es laut Physikbuch tun sollte, dann zu Boden fallen und dort liegen bleiben. Er verhält sich genauso, wie sich ein fester Körper von gegebener Masse bei gegebenem Luftwiderstand zu verhalten hat. Wenn wir jedoch einen lebendigen Vogel in die Luft werfen, so wird er keine Parabel beschreiben, auch nicht auf den Boden fallen. Er wird davonfliegen und vielleicht so schnell nicht wieder auf dem Boden landen. Denn er hat Muskeln, die der Schwerkraft und anderen auf den ganzen Körper einwirkenden physikalischen Kräften Widerstand entgegensetzen. Jede einzelne Muskelzelle befolgt die Gesetze der Physik. Infolgedessen bewegen die Muskeln die Flügel so, daß der Vogel in der Luft bleibt. Der Vogel verstößt nicht gegen das Gesetz der Schwerkraft. Er wird zwar von der Schwerkraft fortwährend nach unten gezogen, aber seine Muskeln sind aktiv, um ihn trotzdem in der Luft zu halten - und dabei gehorchen seine Muskeln wieder den Gesetzen der Physik. Wir meinen, er trotze einem physikalischen Gesetz, wenn wir so unwissenschaftlich sind, den Vogel einfach als einen strukturlosen Klumpen Materie mit bestimmter Masse und mit bestimmtem Luftwiderstand anzusehen. Erst wenn wir uns daran erinnern, daß er viele innere Teile hat, die alle auf ihre eigene Weise den Gesetzen der Physik gehorchen, verstehen wir das Verhalten des ganzen Körpers. Was allerdings keine Besonderheit lebender Dinge ist. Es trifft auch auf die von Menschen gemachten Maschinen zu und wohl auf alle komplexen, aus vielen Teilen bestehenden Objekte.
    So komme ich zu dem letzten Thema, das ich in diesem recht philosophischen Kapitel erörtern will, der Frage, was wir mit Erklärung meinen. Wir haben erfahren, was wir unter einem komplexen Ding verstehen wollen. Welche Art der Erklärung aber wird uns zufriedenstellen, wenn wir wissen wollen, wie eine komplizierte Maschine oder ein lebender Körper funktioniert? Zu der Antwort sind wir im vorigen Absatz gelangt. Wenn wir verstehen möchten, wie eine Maschine oder ein lebender Körper funktioniert, so betrachten wir ihre Bestandteile und fragen, wie sie miteinander in Wechselwirkung stehen. Wenn wir ein komplexes Ding haben, das wir noch nicht kennen, so können wir es über seine bereits bekannten einfacheren Teile verstehen lernen.
    Wenn ich einen Ingenieur frage, wie eine Dampfmaschine funktioniert, so habe ich eine recht genaue Vorstellung davon, wie die Antwort beschaffen sein muß, um mich zufriedenzustellen. Wie Julian Huxley würde es mich bestimmt nicht beeindrucken, wenn der Ingenieur sagte, sie würde von einer »force locomotif« angetrieben. Und wenn er begänne, mich damit zu belästigen, das Ganze sei größer als die Summe seiner Teile, so würde ich ihn unterbrechen: »Lassen wir das mal beiseite, sagen Sie mir lieber, wie sie funktioniert.« Ich würde gern etwas darüber hören, wie die Teile einer Maschine aufeinander einwirken, um das Verhalten der ganzen Maschine zu erzeugen. Zu Beginn wäre ich bereit, eine Erklärung der großen Bestandteile zu akzeptieren, deren eigene innere Struktur und deren Verhalten recht kompliziert und vorerst unerklärt bleiben könnten. Die Einheiten einer anfänglich befriedigenden Erklärung

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