Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
könnten etwa Brennkammer, Kessel, Zylinder, Kolben, Dampfregler heißen. Der Ingenieur würde sagen, zunächst ohne Erklärung, was jede dieser Einheiten tut. Ich wäre damit für den Moment zufrieden, ohne ihn zu fragen, wie jede Einheit ihre besondere Leistung erzeugt. Vorausgesetzt, daß alle Einheiten ihre spezielle Aufgabe erfüllen, kann ich dann verstehen, wie sie aufeinander einwirken, damit die ganze Maschine funktioniert.
Natürlich steht es mir dann frei, auch zu fragen, wie jeder einzelne Teil funktioniert. Nachdem ich zunächst die Tatsache akzeptiert habe, daß der Dampfregler den Dampffluß reguliert, und nachdem ich diese Tatsache zu meinem Verständnis des Verhaltens der ganzen Maschine verarbeitet habe, konzentriere ich meine Neugier nunmehr auf den Dampfregler selbst. Ich möchte nun verstehen, wie er seinerseits mittels seiner eigenen internen Teile sein Verhalten bestimmt. Innerhalb der Bestandteile gibt es eine Hierarchie von Unterbestandteilen. Wir erklären das Verhalten eines Bestandteils auf jeder gegebenen Ebene durch die Wechselwirkungen von Unterbestandteilen, deren eigene innere Organisation wir für den Augenblick als gegeben annehmen. Wir schaufeln uns unseren Weg frei von oben nach unten in der Hierarchie, bis wir zu Einheiten gelangen, die so einfach sind, daß wir im Moment keine Fragen mehr haben. Zu Recht oder zu Unrecht sind die meisten von uns zum Beispiel glücklich über die Eigenschaften starrer Eisenstäbe, und wir sind bereit, sie zur Erklärung komplexerer Maschinen zu benutzen, in denen sie vorkommen.
Physiker nehmen Eisenstäbe natürlich nicht als gegeben hin. Sie fragen, warum sie starr sind, und sie setzen die Analyse der Struktur noch einige Schichten weiter fort, bis hinunter zu Elementarteilchen und Quarks. Aber das Leben ist zu kurz, so daß die Mehrheit von uns ihnen nicht folgen kann. Für jedes gegebene Niveau komplexer Organisationen können normalerweise zufriedenstellende Erklärungen gegeben werden, wenn wir von unserer Startschicht aus nur ein oder zwei Schichten in der Hierarchie hinuntergehen, aber nicht mehr. Das Verhalten eines Autos wird anhand von Zylindern, Vergasern und Zündkerzen erklärt. Zwar befindet sich jeder einzelne dieser Bestandteile an der Spitze einer Pyramide von Erklärungen auf niedrigeren Ebenen. Aber wenn mich jemand fragte, wie ein Auto funktioniert, würde er mich für hochnäsig halten, wenn ich ihm mit den Newtonschen Gesetzen und den Gesetzen der Thermodynamik antwortete, und für einen totalen Spinner, würde ich mich auf die Elementarteilchen berufen. Es ist zweifellos richtig, daß letzten Endes das Verhalten eines Autos mit den Wechselwirkungen zwischen Elementarteilchen erklärt werden muß. Aber es ist sehr viel nützlicher, es mit den Wechselwirkungen zwischen Kolben, Zylindern und Zündkerzen zu erklären.
Das Verhalten eines Computers läßt sich mit der Wechselwirkung zwischen elektronischen Halbleiterventilen erklären, und deren Verhalten wiederum wird von den Physikern auf noch tieferen Ebenen erklärt. In der Praxis wäre es jedoch meistens reine Zeitvergeudung, wenn wir das Verhalten des ganzen Computers auf einer jener tieferen Ebenen zu verstehen versuchten. Es gibt zu viele elektronische Ventile und zu viele Zwischenverbindungen. Eine zufriedenstellende Erklärung kann nur eine leicht zu handhabende kleine Anzahl von Wechselwirkungen umfassen. Daher ziehen wir, , wenn wir das Funktionieren von Computern verstehen wollen, eine vorläufige Erklärung anhand eines halben Dutzends wichtiger Unterbestandteile vor: Datenspeicher, Datenverarbeitung, Hilfsspeicher, Steuereinheit, Eingabe-Ausgabe-Einheit usw. Nachdem wir die Wechselwirkungen zwischen diesem halben Dutzend Hauptkomponenten verstanden haben, können wir vielleicht noch Fragen über die interne Organisation dieser Hauptkomponenten stellen. Nur Fachingenieure gehen wahrscheinlich hinunter bis auf die Ebene von AND- und NOR-Ventilen, und lediglich die Physiker gehen noch weiter bis zur Ebene des Verhaltens von Elektronen in einem Halbleitermedium.
Für »ismen«-Fans ist wahrscheinlich der passendste Name für meine Art, an das Verständnis des Funktionierens von Dingen heranzugehen, »hierarchischer Reduktionismus«. Wer neumodische intellektuelle Zeitschriften liest, wird vielleicht wissen, daß »Reduktionismus« zu den Dingen gehört, die, wie die Sünde, nur von denen zitiert werden, die dagegen sind. Sich selbst einen Reduktionisten zu nennen
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