Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
windsurfen oder ölige Lappen umklammern oder immer kleiner werdende Kreise laufen, bis er verschwindet. Die Liste könnte unbegrenzt fortgesetzt werden. Oder nicht?
Wenn diese Liste wirklich immer weiter fortgesetzt werden könnte, hätte mein hypothetischer Philosoph womöglich recht. Wenn, ganz gleich, wie zufällig man mit Materie herumwürfe, sich rückblickend immer sagen ließe, das resultierende Konglomerat sei für irgend etwas gut, so könnte man mit Recht sagen, daß ich bei der Schwalbe und dem Wal betrogen habe. Aber die Biologen können sehr viel genauer sagen, was »für irgend etwas gut« bedeutet. Die Mindestvoraussetzung dafür, daß wir ein Objekt als Tier oder Pflanze erkennen, ist, daß es sich erfolgreich seinen irgendwie gearteten Lebensunterhalt verdient (genauer gesagt, daß es, oder zumindest einige Angehörige seiner Art, lang genug lebt, um sich fortzupflanzen). Gewiß gibt es eine ganze Reihe von Methoden, seinen Lebensunterhalt zu verdienen - fliegen, schwimmen, durch Bäume schwingen usw. Aber: so viele Arten des Lebendigseins es auch geben mag, es gibt mit Sicherheit weitaus mehr Arten des Totseins. Wir können eine Milliarde Jahre lang immer und immer wieder Zellen willkürlich zusammenwerfen und werden nicht ein einziges Mal ein Konglomerat erhalten, das fliegt oder schwimmt oder gräbt oder rennt. Oder überhaupt irgend etwas tut, sei es auch schlecht, von dem man in etwa sagen könnte, es arbeite, um sich selbst am Leben zu erhalten.
Dies war eine recht langgezogene Beweisführung, und es ist Zeit, uns daran zu erinnern, wie wir überhaupt dazu gekommen sind. Wir suchten nach einem präzisen Ausdruck für das, was wir meinen, wenn wir etwas als kompliziert bezeichnen. Wir versuchten, den Punkt zu finden, wo Menschen, Maulwürfe, Regenwürmer, Fluggeräte und Uhren etwas miteinander gemeinsam haben, aber nicht mit Flammeri oder dem Montblanc oder dem Mond. Wir gelangten zu der Antwort, daß komplizierte Dinge eine Beschaffenheit haben, die im voraus spezifizierbar ist, von der es aber höchst unwahrscheinlich ist, daß sie allein durch willkürlichen Zufall erworben wurde.
Bei Lebewesen ist die im voraus spezifizierte Eigenschaft in gewissem Sinne Tüchtigkeit oder »Leistungsfähigkeit«; entweder Leistungsfähigkeit in einer speziellen Fertigkeit wie Fliegen, wie sie etwa ein Flugzeugtechniker bewundern würde; oder allgemeine Leistungsfähigkeit, wie die Fähigkeit, den Tod abzuwehren, oder die Fähigkeit, bei der Fortpflanzung Gene weiterzugeben.
An der Abwehr des Todes muß man arbeiten. Überläßt man einen Körper sich selbst - was geschieht, wenn er stirbt -, so kehrt er zu einem Gleichgewicht mit seiner Umwelt zurück. Wenn wir in einem lebenden Körper irgendeine Größe messen, etwa Temperatur, Säuregehalt, Wassergehalt oder elektrisches Potential, so stellen wir gewöhnlich fest, daß sie sich deutlich von den entsprechenden Meßgrößen in der Umgebung unterscheidet. So sind unsere Körper gewöhnlich wärmer als unsere Umwelt, und in kalten Klimata müssen sie sich mächtig anstrengen, um den Unterschied aufrechtzuerhalten. Wenn wir sterben, hört diese Arbeit auf, der Temperaturunterschied beginnt zu verschwinden, und schließlich nehmen wir dieselbe Temperatur an wie die Umgebung. Nicht alle Tiere strengen sich so an, um zu verhindern, daß ihre Körpertemperatur der der Umgebung gleicht, aber alle Tiere unternehmen irgendeine vergleichbare Anstrengung. In einem trockenen Land etwa bemühen sich Tiere und Pflanzen, den Flüssigkeitsgehalt ihrer Zellen aufrechtzuerhalten, sie arbeiten der natürlichen Tendenz des Wassers entgegen, aus ihnen heraus und in die trockene Außenwelt hineinzuwandern. Versagen sie, so sterben sie. Allgemeiner ausgedrückt: Arbeiten die Lebewesen nicht aktiv dagegen, so verschmelzen sie schließlich mit ihrer Umgebung und hören auf, als autonome Wesen zu existieren. Genau das geschieht, wenn sie sterben.
Mit Ausnahme der von Menschenhand gemachten Maschinen, die wir, wie gesagt, als ehrenamtliche Lebewesen betrachten wollen, unternehmen nichtlebende Dinge keine derartigen Anstrengungen. Sie akzeptieren die Kräfte, die sie in ein Gleichgewicht mit ihrer Umgebung bringen. So existiert der Montblanc schon seit langer Zeit, und wahrscheinlich wird er auch noch lange Zeit existieren, aber er arbeitet nicht dafür. Wenn Gestein unter dem Einfluß der Schwerkraft irgendwo zu liegen kommt, so bleibt es dort liegen. Es muß sich nicht
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