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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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dasselbe DNS- »Etikettierungs«system, nicht ungültig wird.
    Verdoppelung innerhalb der Art hat nicht allein durch die Zahl kooperierender Gene im Verlauf der Evolution zugenommen. Ein sogar noch selteneres, aber dennoch möglicherweise sehr wichtiges Vorkommnis ist die gelegentliche Einbeziehung eines Gens aus einer anderen Art, selbst einer außerordentlich entfernten Art. Es gibt z. B. Hämoglobine in den Wurzeln von Pflanzen der Leguminosen. Sie kommen in keiner anderen Pflanzenfamilie vor, und es scheint nahezu gewiß, daß sie irgendwie durch Kreuzinfektion von Tieren, wobei vielleicht Viren als Zwischenträger fungierten, in die Pflanzen gelangt sind.
    Ein besonders wichtiges Ereignis dieser Art fand, nach der zunehmend mehr Anerkennung findenden Theorie der amerikanischen Biologin Lynn Margulis, bei der Entstehung der sogenannten eukaryotischen Zelle statt. Alle Zellen mit Ausnahme der Bakterien und Blaualgen sind eukaryotische Zellen. Die lebende Welt teilt sich im wesentlichen in Bakterien und übrige. Wir Menschen gehören zu den übrigen, die kollektiv als Eukaryoten bezeichnet werden. Wir unterscheiden uns von Bakterien durch unsere Zellen, die in sich abgeschlossene kleine Minizellen besitzen. Zu ihnen gehören der Zellkern, in dem die Chromosomen angesiedelt sind, ferner winzige wabenförmige, mit kompliziert zusammengefalteten Membranen ausgefüllte Gebilde, die wir Mitochondrien nennen (und die wir kurz in Abb. 1 kennengelernt haben), sowie - in den (eukaryotischen) Pflanzenzellen - Chloroplasten. Mitochon- drien und Chloroplasten besitzen ihre eigene DNS, die sich völlig unabhängig von der Haupt-DNS in den Chromosomen des Zellkerns reproduziert und verbreitet. Alle Mitochondrien in uns Menschen stammen von der kleinen Population von Mitochondrien ab, die von unserer Mutter über das Ei zu uns kam. Spermien sind zu klein, um Mitochondrien zu enthalten, daher reisen Mitochondrien ausschließlich in der weiblichen Abstammungslinie; männliche Körper sind eine Sackgasse für die Reproduktion von Mitochondrien. Nebenbei gesagt können wir daher Mitochondrien dazu benutzen, unsere Vorfahren zu identifizieren, aber nur auf der weiblichen Seite.
    Margulis’ Theorie lautet, daß Mitochondrien und Chloroplasten sowie ein paar andere Strukturen im Zellinnern von Bakterien und Blaualgen abstammen. Die eukaryotische Zelle entstand vielleicht vor zwei Milliarden Jahren, als mehrere Sorten von Bakterien sich zusammentaten um der Vorteile willen, die jede von den anderen erhalten konnte. Sie integrierten sich so gründlich zu der zusammenarbeitenden Einheit der eukaryotischen Zelle, daß es fast unmöglich geworden ist, zu entdecken - wenn es denn eine Tatsache ist -, daß sie einmal getrennte Bestandteile waren.
    Nachdem erst einmal die eukaryotische Zelle erfunden war, scheint ein ganzes neues Spektrum von Entwürfen möglich geworden zu sein. Von unserem Standpunkt her am interessantesten ist, daß die Zellen große Körper herstellen konnten mit vielen Milliarden von Zellen. Alle Zellen vermehren sich durch Zweiteilung, wobei beide Hälften einen vollen Satz von Genen erhalten. Wie wir im Fall der Bakterien auf einem Stecknadelkopf gesehen haben, können aufeinanderfolgende Zweiteilungen in recht kurzer Zeit eine sehr große Anzahl von Zellen hervorbringen. Man beginnt mit einer, und sie zerteilt sich in zwei. Dann spaltet sich jede dieser beiden, das macht vier. Wenn jede der vier sich teilt, werden es acht. Die Zahlen steigen durch aufeinanderfolgende Verdoppelungen von 8 auf 16, 32, 64, 128, 256, 512, 1024, 2048, 4096, 8192. Nach nur 20 Verdoppelungen, was nicht viel Zeit in Anspruch nimmt, sind wir in den Millionen. Nach nur 40 Verdoppelungen ist die Zahl der Zellen größer als eine Billion. Bei den Bakterien geht die gewaltige, durch aufeinanderfolgende Verdoppelung erzeugte Anzahl von Zellen ihre eigenen Wege. Dasselbe gilt auch für viele eukaryotische Zellen, etwa Protozoen wie Amöben. Ein wichtiger Schritt in der Evolution war, als Zellen, die durch aufeinanderfolgende Aufspaltungen erzeugt worden waren, zusammenblieben, statt sich unabhängig voneinander in alle Richtungen zu zerstreuen. Jetzt konnte eine Struktur höherer Ordnung entstehen, ganz genauso wie - in unvergleichlich kleinerem Maßstab - bei den sich in zwei aufteilenden Computerbiomorphen.
    Nun wurden zum ersten Mal größere Körper möglich. Ein menschlicher Körper ist eine wahrhaft kolossale Population von Zellen, die alle von

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