Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
bereits zahlreich in der Population vorhandenen Gene, mit denen es wahrscheinlich in Körpern Zusammensein wird. Da das gleiche offensichtlich auch auf diese »anderen« Gene selbst zutrifft, erhalten wir ein Bild von Genteams, die sich alle auf kooperative Lösungen für Probleme hinentwickeln.
Die Gene selbst verändern sich nicht, sie tun nichts anderes, als in dem Genpool zu überleben oder nicht zu überleben. Was sich durch Evolution verändert, ist das »Team«. Andere Teams hätten sich der Aufgabe ganz genau so gut entledigen können oder sogar noch besser. Aber wenn ein Team erst einmal den Genpool dieser Art beherrscht, ist es automatisch im Vorteil. Es ist für ein Minoritätenteam schwierig einzubrechen, selbst für ein Minoritätenteam, das letztlich die Aufgabe besser gelöst hätte. Das Mehrheitsteam widersetzt sich automatisch der Verdrängung, einfach weil es in der Mehrheit ist. Das bedeutet nicht, daß das Mehrheitsteam niemals verdrängt werden kann. Könnte es das nicht, würde die Evolution zu einem Stillstand kommen. Aber es bedeutet gewiß, daß eine Art Trägheit mitgegeben ist.
Wie auf der Hand liegt, ist diese Art von Beweisführung nicht auf die Biochemie beschränkt. Wir könnten in derselben Weise zugunsten von Ansammlungen von kompatiblen Genen argumentieren, die die verschiedenen Teile von Augen, Ohren, Nasen, Beinen, Füßen, ja von allen zusammenarbeitenden Teilen eines tierischen Körpers konstruieren. Gene, die Zähne zum Fleischkauen machen, werden im allgemeinen in einem »Klima« von Genen gefördert, die einen geeigneten Verdauungstrakt zum Verdauen von Fleisch machen. Andererseits werden Gene zur Konstruktion von pflanzenzermahlenden Zähnen in einem Klima von Genen begünstigt, die geeignete Eingeweide zum Verdauen von Pflanzen herstellen. Und umgekehrt in beiden Fällen. Teams von »fleischfressenden Genen« entwickeln sich gewöhnlich gemeinsam, ebenso wie Teams von »pflanzenfressenden Genen«. In der Tat kann man in gewissem Sinne sagen, daß die meisten der in einem Körper arbeitenden Gene als ein Team miteinander zusammenarbeiten, denn im Verlauf der Evolution sind sie (d. h. urväterliche Kopien ihrer selbst) Teil der Umwelt gewesen, in der die natürliche Auslese auf die anderen eingewirkt hat. Wenn wir fragen, warum die Vorfahren von Löwen anfingen, Fleisch zu fressen, während die Vorfahren von Antilopen anfingen, Gras zu fressen, so könnte die Antwort lauten, daß der Ursprung zufällig war. Zufällig in dem Sinne, daß es genausogut die Vorfahren der Löwen hätten sein können, die Gras zu fressen anfingen, und die Vorfahren der Antilopen, die mit dem Fleischfressen begannen. Nachdem aber einmal eine Abstammungslinie damit begonnen hatte, ein Team von Genen zur Verarbeitung von Fleisch, und nicht Gras, aufzubauen, verstärkte sich der Vorgang selbst. Und nachdem einmal der andere Stammbaum damit begonnen hatte, ein Genteam zur Behandlung von Gras statt Fleisch zusammenzustellen, verlief dieser Vorgang ebenso sich selbst verstärkend, nur in die andere Richtung.
Eins der wichtigsten Dinge in der frühen Evolution lebender Organismen war wohl der Zuwachs in der Zahl der Gene, die an solchen Gemeinschaftsunternehmen beteiligt waren. Bakterien haben weitaus weniger Gene als Tiere und Pflanzen. Der Zuwachs kann durch mehrerlei Sorten von Genverdoppelung entstanden sein. Erinnern wir uns, daß ein Gen nichts anderes ist als eine Strecke kodierter Symbole, wie ein Datenblock (»file«) auf einer Computerplatte; und Gene können auf verschiedene Teile der Chromosomen kopiert werden, geradeso wie Daten auf verschiedene Teile der Platte kopiert werden können. Auf der Computerplatte, die dieses Kapitel trägt, stehen offiziell lediglich drei Datenblöcke. Mit »offiziell« meine ich, daß das Betriebssystem des Computers mir sagt, es stünden nur drei Blöcke dort. Ich kann ihm den Auftrag geben, einen dieser drei Blöcke zu lesen; dann erhalte ich eine eindimensionale Liste von Zeichen des Alphabets, einschließlich derer, die der Leser jetzt gerade liest. Alles sehr sauber und ordentlich, so scheint es. Auf der Platte selbst jedoch ist die Anordnung des Textes de facto alles andere als sauber und ordentlich. Man kann das feststellen, wenn man aus dem offiziellen computereigenen Betriebssystem aussteigt und sein eigenes privates Programm schreibt, um zu entziffern, was eigentlich tatsächlich auf jedem Sektor der Platte geschrieben steht. Es stellt sich heraus,
Weitere Kostenlose Bücher